AMD-Frühstadium: die schädlichen Fett-Ablagerungen «wegspülen»?

Wie entstehen die Ablagerungen an der Stelle des schärfsten Sehens (Makula), die zur Altersbedingten Makuladegeneration (AMD) führen? Amerikanische Forschende haben den Mechanismus entdeckt: Eine bestimmte Kohlenhydrat-Art sammelt sich manchmal in der Nähe der Makula an und zieht sehzellenschädigende Stoffwechselprodukte auf sich. Diese Erkenntnis eröffnet Perspektiven für eine künftige Behandlungsmöglichkeit der frühen AMD – zum Beispiel mit einem Anti-Blutgerinnungsmittel.

Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch;

Bei der altersbedingten Makuladegeneration wird nach und nach die Makula, die Stelle des schärfsten Sehens, geschädigt. Und zwar so lange, bis zum Beispiel Lesen oder auch das Erkennen von Gesichtern nicht mehr möglich ist.

Das periphere Sehen, also die visuelle seitliche Wahrnehmung, bleibt erhalten. Dessen ungeachtet definieren die ophthalmologischen Fachleute AMD allgemein als die häufigste Erblindungsursache in den Industrienationen.

Zuerst ein bisschen Anatomie

AMD entsteht durch eine Störung des Stoffwechsels in der Netzhaut. Um diesen Mechanismus zu begreifen, muss kurz die Schichtung des hinteren Augapfel-Teils erläutert werden, von welchem der Sehnerv zum Gehirn wegführt.

Die Netzhaut oder Retina stellt die innere Schicht des Augapfels dar. Sie wird umhüllt von der Aderhaut, welche die äusseren Schichten der Netzhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Zuäusserst befindet sich die Lederhaut, also die weisse Aussenhülle des Augapfels.

Die Retina selbst besteht aus zehn eigenen Schichten. Neun davon bilden die neuronale Netzhaut oder Neuroretina mit den Sehzellen (Photorezeptoren) und den vielschichtigen Nerven und Nervenfasern. Das retinale Pigmentepithel (RPE) hingegen ist die äusserste Schicht der Netzhaut und liegt direkt der Aderhaut auf.

Das RPE bildet die äussere Blut-Retina Schranke. Diese schützt die Neuroretina vor den Bestandteilen des Blutes und dem peripheren Immunsystem. Ausserdem versorgt das RPE die Photorezeptoren mit Nährstoffen und ist am Abtransport der Stoffwechsel-Abfallprodukte beteiligt.

Ablagerungen an der Bruchschen Membran: die «Drusen»

Zwischen dem RPE und der Aderhaut liegt eine Membran, die sogenannte Bruchsche Membran. Es handelt sich um eine dünne Trennschicht, deren Hauptaufgabe der Transport von Nährstoffen und Flüssigkeit zwischen Aderhaut und Netzhaut ist.

AMD beginnt mit der Bildung von Ablagerungen an der Bruchschen Membran. Und zwar justament im Bereich der Makula, der Zone des schärfsten Sehens in der ungefähren Mitte der Retina.

Die Ablagerungen, auch «Drusen» genannt, sind typisch für das frühe und mittlere AMD-Stadium und bestehen aus Fetten (Lipiden) und Proteinen. Also aus Abfallprodukten des Stoffwechsels im Auge, die nicht abtransportiert werden können. Diesen Zustand bezeichnet die Fachsprache als Lipoprotein-Retention.

Ein Kohlenhydrat namens Heparansulfat zieht die Fette an

Damit stellt sich die Frage, warum diese Retention zustande kommt bzw. der Abtransport nicht überall vollständig funktioniert. Den Grund dafür haben amerikanische Forschende vom Shiley Eye Institute der University of California San Diego School of Medicine unter der Leitung von Dr. Christopher B. Toomey während einer Laborstudie entdeckt.

Die Forschenden konnten ein komplexes Kohlenhydrat namens Heparansulfat identifizieren, das bei der Anheftung von Lipoproteinen an die Bruchsche Membran eine entscheidende Rolle spielt.

Das Team hatte mittels Rasterelektronenmikroskopie postmortale AMD-Gewebeproben untersucht. Dabei wies es Ansammlungen von Lipoprotein-ähnlichen Partikeln nach, die sich auf der dem retinalen Pigmentepithel zugewandten Seite der Bruchschen Membran befanden – und dies in unmittelbarer Nähe zu Mikrozonen mit Heparansulfat. Ausserdem wurde entdeckt, dass das Netzhautgewebe verstorbener AMD-PatientInnen deutlich mehr Ansammlungen an Heparansulfat an der Bruchschen Membran im Makulabereich enthielt als das von Personen ohne AMD.

Die entscheidende Erkenntnis ist nun folgende: Lipoprotein-ähnliche Partikel, wie zum Beispiel HDL (High-Density Lipoprotein), häuften sich in Bereichen an, die reich an Heparansulfat waren. Genau das deutet nach Einschätzung der Forschenden darauf hin, dass Heparansulfat diese Partikel regelrecht anziehen kann.

Daraus folgt eine grundsätzliche Frage: Was sind die Gründe für ein gehäuftes Auftreten von Heparansulfat an der Bruchschen Membran, und zwar ausgerechnet im Bereich der Makula? Darauf fanden die amerikanischen Forschenden noch keine Antwort.

Mittel gegen Blutgerinnung könnte hilfreich sein

Stattdessen gewann das Forschungsteam eine andere Erkenntnis. Es untersuchte mit Hilfe eines Quarzkristall-Mikro-Biosensors Proben von Bruchscher Membran, die von AMD-PatientInnen stammten.

Dabei konnte das Team nicht nur aufzeigen, dass Heparansulfat für die Bindung von Lipoproteinen essenziell ist – es stellte auch fest, dass die lösliche Variante von Heparansulfat die Drusen, also die an der Bruchschen Membran abgelagerten Lipoproteine, entfernen kann.

Im Rahmen ihrer Laborstudie wiesen die Forschenden ausserdem nach, dass es möglich sein könnte, die Anhäufung von Lipoproteinen in der Bruchschen Membran zu verhindern oder umzukehren.

Gemäss ihren Aussagen bieten sich dafür nicht-blutverdünnende Formen der Substanz Heparin als potenzielle Behandlungsmethode an. Diese Formen könnten dazu beitragen, schädliche Lipide sozusagen «wegzuspülen», ohne dass die Blutungsrisiken von normalem Heparin bestünden.

Die Substanz Heparin ist wie Heparansulfat ein komplexes Kohlenhydrat; allgemein bekannt ist Heparin wegen seiner blutgerinnungshemmenden Wirkung. Entsprechend wird die blutverdünnende Substanz als Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von Blutgerinnseln eingesetzt.

Frühe AMD verhindern? Mehr Forschung zur Bruchschen Membran ist notwendig

In einer Medienmitteilung zur Veröffentlichung der Laborstudie hält die San Diego School of Medicine der University of California fest: Die Entdeckung dieser vom Heparansulfat vermittelten «klebrigen Interaktion» verweise auf künftige Behandlungsoptionen.

Das jetzt erweiterte pathobiologische Verständnis von der Drusenbildung «könnte eine Möglichkeit sein, frühe Anzeichen von AMD zu verhindern oder sogar rückgängig zu machen, bevor ein Sehverlust eintritt.»

Entsprechend wichtig sei daher die Rolle der Bruchschen Membran, schreibt wiederum das Forschungsteam im entsprechenden Fachartikel zu seiner Laborstudie. Die Membran sei in Bezug auf die Drusenbildung ein Gebiet für zukünftige Studien und erweise sich für die Pathogenese der AMD als absolut relevant.

Negativ wirksam sind eher grosse Drusen

Vor allem grosse Drusen können eine Störung und einen Gewebeverlust der äusseren Netzhautschichten (dort befinden sich auch die Sehzellen) bewirken. Direkt über solchen Drusen wird oft eine verminderte Empfindlichkeit der Netzhaut beobachtet.

Zudem beginnt häufig aufgrund grosser Drusen die geografische Atrophie: Das ist eine der beiden klinischen Varianten der fortgeschrittenen oder späten AMD – das Gewebe der Netzhaut, insbesondere die Makula, bildet sich irreversibel zurück, und durch dieses Absterben von Netzhautzellen entstehen leere atrophische Zonen, die die Licht- und Bildverarbeitung nicht mehr ermöglichen.

Die andere und seltenere Variante der späten AMD ist die feuchte, neovaskuläre Verlaufsform mit einer krankhaften Bildung von undichten, das Netzhautgewebe schädigenden Blutgefässen.

Quellen:

Bericht über die Laborstudie: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2025; DOI: 10.1073/pnas.2500727122); Heparansulfat als Schlüsselelement für Lipoprotein-Retention in Frühstadien der AMD identifiziert – Deutsches Ärzteblatt; Drusen, Bruchsche Membran – flexikon.doccheck.com; RPE – flexikon.doccheck.com; Anatomie Augapfel – flexikon.doccheck.com; kenhub.com