Menschen mit schwerem Vitamin-D-Mangel haben ein um 12 Prozent höheres Risiko für eine Trübung der Augenlinse: Das zeigt eine breit angelegte internationale Studie. Vor allem jüngere Personen sind davon betroffen, wenn es ihnen an dem Vitamin fehlt. Aber auch andere Faktoren spielen eine grosse Rolle.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch;
Beim Grauen Star handelt es sich um eine Trübung der Augenlinse. Die Katarakt – so lautet der Fachausdruck für Grauen Star (mit weiblichem grammatikalischem Geschlecht) – muss streng vom Grünen Star (das Glaukom) unterschieden werden, der die Schädigung des Sehnervs betrifft.
Der Graue Star gilt weltweit als die häufigste reversible Erblindungsursache, ungefähr 95 Millionen Menschen sind davon betroffen. Die Linsentrübung wird meist ab einem reiferen Alter durch genetische oder Umweltfaktoren ausgelöst, und oft liegt eine Kombination der Faktoren vor. Die häufigste Form der Katarakt ist die Cataracta senilis, die im höheren Alter auftritt und eine Verlangsamung des Stoffwechsels innerhalb der Linse als Ursache hat.
Höheres Risiko schon länger vermutet
Einen Zusammenhang von Vitamin-D-Mangel und Kataraktentstehung nimmt die Fachwelt seit Längerem an. Nun ist diese Vermutung im Rahmen des epidemiologischen Projekts UK Biobank bestätigt worden, nachdem man die sogenannten Serum-25-Hydroxyvitamin-D-Werte, kurz 25(OH)D, von fast einer halben Million Projektteilnehmenden ausgewertet hatte.
Die UK Biobank ist eine breit angelegte, prospektive Kohortenstudie zur Katarakt mit über 440’000 Teilnehmenden im Alter von 37 bis 73 Jahren, die zwischen 2006 und 2010 in ganz Grossbritannien rekrutiert wurden.
Konkret lautet die erste wichtige Erkenntnis aus der Studie: Die teilnehmenden Personen, die einen schweren Vitamin-D-Mangel aufwiesen, hatten ein um 12 Prozent höheres Risiko für eine Katarakt.
Vor allem bei jüngeren Personen mit Vitaminmangel
In einem Beitrag des «British Journal of Ophthalmology» weist Dr. Jason C. Yam, Leiter eines Forschungsteams von der Augenklinik der Chinese University Hongkong, auf folgenden besonderen Umstand hin: Das Risiko für die Entstehung von Grauem Star sei ganz besonders bei jungen bzw. jüngeren Menschen mit deutlichem Vitamin D-Mangel evident.
Die Daten aus besagtem Projekt zeigen ein häufigeres Auftreten von schwerem Vitamin-D-Mangel (weniger als 25 nmol/L) bei jüngeren Personen (17,4 Prozent) im Vergleich zu Personen mittleren Alters (14,1 Prozent) und älteren Erwachsenen (10,1 Prozent).
Diese demografische Variation spiegelt vermutlich unterschiedliche Lebensgewohnheiten wider: Jüngere Menschen sind häufiger beruflich in Innenräumen tätig und einer geringeren Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Bekanntlich regt direkte Sonneneinstrahlung auf die Haut die körpereigene Produktion von Vitamin D an.
Bemerkenswert ist laut den Forschenden auch eine weitere Erkenntnis, warum ältere Menschen tendenziell einen höheren Vitamin-D-Spiegel als jüngere haben. Dies ist nämlich häufig auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zurückzuführen, die für diese Bevölkerungsgruppe häufig empfohlen werden, um die Knochengesundheit zu erhalten.
Frühe Behandlung von Vitamin-D-Mangel hemmt die Kataraktentwicklung
«Unsere Ergebnisse zeigen einen signifikanten Querschnitts- und prospektiven Zusammenhang zwischen einem Vitamin-D-Mangel und einem erhöhten Risiko für Katarakte», fasst Dr. Jason C. Yam zusammen. Dieses Risiko unter den Testpersonen sei besonders ausgeprägt gewesen bei Menschen unter 50 Jahren. Eine rechtzeitige Überwachung und Behandlung von Vitamin-D-Mangel dürfte sich positiv auf die Hemmung der Kataraktentwicklung auswirken, insbesondere in einem frühen Stadium, betont Dr. Yam.
Die möglichen Auslöser-Mechanismen von Vitamin-D-Mangel – nebst einer zu geringen täglichen Dosis an Sonnenlicht – werden seit Längerem diskutiert. So haben diverse Studien Zusammenhänge zwischen dem Mangel und oxidativem Stress sowie Entzündungen aufgezeigt.
Darüber hinaus wurden Vitamin-D-Rezeptoren in unterschiedlichen Zellen im menschlichen Auge identifiziert, darunter in Photorezeptoren, Hornhautzellen und Linsenepithelzellen.
Vitamin D könnte die physiologischen Eigenschaften des Linsenepithels beeinflussen. Das betrifft zum Beispiel die epitheliale Barriere (Schutzschicht der Hornhaut, die verhindert, dass Keime und andere schädliche Substanzen ins Auge eindringen) oder die Verbindung der «Gap Junctions» (Proteinkanäle im Auge, die den direkten Austausch von Molekülen wie Ionen, Wasser, Zucker und kleinen Signalmolekülen zwischen benachbarten Zellen ermöglichen) – dies könnte mit der Entwicklung von Katarakten in Verbindung stehen.
Wie sieht die Behandlung eines nachgewiesenen Vitamin-D-Mangels aus?
Um die Vitamin-D-Speicher des Körpers schnell aufzufüllen, werden zunächst hochdosierte Präparate (sog. Vitamin-D3-Präparate) für einen Zeitraum von mehreren Wochen oral eingenommen. Nach der Anfangsphase wird auf eine niedrigere Dosis umgestellt, um den erreichten Vitamin-D-Spiegel konstant zu halten.
Die genaue Dosierung der Präparate hängt vom Schweregrad des Mangels und individuellen Risikofaktoren ab und muss ärztlich festgelegt werden. Wiederholte Blutuntersuchungen sind notwendig, um den Erfolg der Therapie zu überwachen und die Dosis gegebenenfalls anzupassen.
Zur Behandlung gehört auch eine Anpassung des Lebensstils. Regelmässige kurze Aufenthalte im Freien, bei denen ein Teil der Haut der Sonne ausgesetzt ist, unterstützen die körpereigene Vitamin-D-Produktion. Die Dauer der Sonnenexposition ist dabei abhängig von Hauttyp, Jahreszeit und Breitengrad.
Eine ausgewogene Ernährung mit vitamin-D-reichen Lebensmitteln wie fettem Fisch (Lachs, Hering), Eiern und Pilzen kann die Versorgung ergänzen. In manchen Fällen kann der Arzt zusätzlich Kalzium verabreichen, um den Behandlungserfolg zu unterstützen.
Achtung: Zu viel vom Vitamin führt zu einer Vergiftung
Der Konsum von grossen Mengen an Vitamin D kann schwerwiegende Folgen haben. Deshalb sollte die Behandlung immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Die Einnahme sehr hoher Mengen von Vitamin-D-Präparaten verursacht hohe Konzentrationen von Kalzium im Blut. Dies führt oft zu Vergiftungserscheinungen: Betroffene Personen können an Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen sowie an Schwächegefühl und Nervosität leiden.
Welche genauen Symptome treten bei Grauem Star auf?
Die allmählich zunehmende Trübung der Augenlinsen manifestiert sich zu einem guten Teil als ein grauer Schleier oder als Nebelsehen. Häufig suchen Betroffene einen Augenarzt auf, weil sich ihre Kurzsichtigkeit (weiter entfernte Gegenstände nur undeutlich und verschwommen sehen) verschlechtert hat.
Generell besteht die Symptomatik vor allem aus der schleichenden Abnahme des Visus bzw. der Sehstärke. Ohne Behandlung kann die Abnahme bis zur Erblindung fortschreiten.
Je nachdem, ob der Kern oder nur die Rinde der Augenlinse betroffen ist, können auch ein vermindertes Kontrastsehen, eine gesteigerte Blendempfindlichkeit, reduzierte Farbwahrnehmung sowie eine Brechkraftänderung auftreten. Der Verlauf der Erkrankung ist schmerzfrei.
Welche Faktoren können Grauen Star fördern oder auslösen?
Der Graue Star macht sich meist erst ab dem 60. Lebensjahr bemerkbar. Nebst einem Vitamin-D-Mangel können folgende Faktoren die Entwicklung der Erkrankung begünstigen oder sogar hervorrufen:
● Der natürliche Altersprozess, bei welchem die Regenerationsfähigkeit der Körperzellen abnimmt.
● Verschiedene Augenerkrankungen sowie Fehlsichtigkeit.
● Auch bei einer ganzen Reihe von chronischen Stoffwechselerkrankungen, vor allem bei Diabetes mellitus, kann eine Katarakt als Spätfolge auftreten.
● UV-Strahlen des Sonnenlichts sowie Infrarotstrahlung.
● Medikamenteneinnahme, zum Beispiel von Kortison.
● Konsum von Genussmitteln wie Tabak oder Alkohol.
● Mangelernährung kann auch ein Faktor sein.
● Verletzungen am Auge sowie Starkstromverletzungen.
● Genetisch bedingte Erkrankungen, bei denen eine Katarakt auftreten kann, sind zum Beispiel Neurodermitis, Vitiligo oder das sogenannte okulo-zerebro-renale Syndrom (OCRL)
Das einzige Heilverfahren ist eine Operation – und sie geht schnell
Katarakt-Operationen sind sehr häufig, und sie gelten als die häufigste Augenoperation überhaupt. Der Eingriff, bei dem die getrübte Augenlinse durch eine Kunstlinse ersetzt wird, ist die einzige Behandlungsmöglichkeit für diese altersbedingte Trübung.
Meistens führt man Katarakt-OPs ambulant durch, die Operation selbst dauert in der Regel nur etwa 10 bis 20 Minuten. Der gesamte Termin im Spital oder in der Klinik zieht sich aber länger hin, da er Vorbereitungsschritte und eine kurze Nachbereitung umfasst. Daher müssen PatientInnen insgesamt mit einer Aufenthaltszeit von etwa zwei bis drei Stunden rechnen, bevor Sie die Augenklinik wieder verlassen können.
In der Schweiz wird ein Eingriff wegen Grauen Stars ungefähr 100’000 Mal pro Jahr vorgenommen. Beim nördlichen Nachbarn Deutschland spricht die Statistik von über 400’000 jährlichen Katarakt-Operationen.
UK Biobank-Studie: die konkreten Daten
Zurück zum Vitamin-D-Mangel und zum Projekt der UK Biobank. Die Forschenden bezogen in die Studie 442’255 Personen mit ein, von denen 3,24 Prozent schon zu Beginn eine Katarakt hatten. Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 10,8 Jahren entwickelten 13,02 Prozent der übrigen Teilnehmenden (Durchschnittsalter 56,2 Jahre, zu 53,6 Prozent weiblich) eine visusrelevante Linsentrübung.
In der gesamten Studienpopulation wiesen 13,4 Prozent einen schweren Vitamin-D-Mangel (<25 nmol/L) und 41,9 Prozent einen moderaten Mangel (25 bis <50 nmol/L) auf. Punkto Menge an Serum-25(OH)D hatten 33,5 Prozent als unzureichend eingeschätzte Spiegel (50 bis <75 nmol/L) und 11,3 Prozent ausreichende Spiegel (≥75 nmol/L).
Teilnehmende mit ausreichenden Spiegeln an Serum-25(OH)-D waren im Vergleich zu denen mit Vitamin-D-Mangel älter und hatten einen niedrigeren Body-Mass-Index. Sie waren eher Nichtraucher, körperlich aktiv, nahmen Multivitamin- oder Mineralstoffpräparate ein und waren frei von Diabetes oder Bluthochdruck.
In den Querschnittsanalysen wiesen Personen mit Vitamin-D-Mangel ein höheres Risiko für Katarakte auf als Personen mit ausreichenden 25(OH)D-Konzentrationen im Serum.
Dabei zeigten sich jüngere Personen als anfälliger: Im Vergleich zur Referenzgruppe (50–75 nmol/L) hatten diejenigen Personen unter 50 Jahren mit schwerem Vitamin-D-Mangel (<25 nmol/L) ein um 27 Prozent höheres Risiko, an Grauem Star zu erkranken. (Oktober 2025)
Quellen:
Deutsches Ärzteblatt; British Journal of Ophthalmology (2025; DOI: 10.1136/bjo-2024-326716); UK Biobank; Doc Check Flexikon; Concordia Magazin; Luzerner Kantonsspital; MSD Manuals; CTL Labor

