Makeup in Augennähe kann schnell zu einer Austrocknung oder Reizung der Sehorgane führen. Unter Umständen steigt auch das Infektionsrisiko. Daher ist ein vorsichtiger Umgang mit Kosmetika angebracht.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch
Mit welchen typischen Beschwerden gehen Menschen zur Augenärztin oder zum Augenarzt? Der allgemeine Trend besagt: Etwa ein Drittel aller Konsultationen erfolgt wegen trockener Augen. Dieses Phänomen wird Sicca-Syndrom genannt, und zu den alltäglichen Ursachen zählen beheizte und gleichzeitig schlecht gelüftete Räume, viele Arbeitsstunden am Bildschirm, zu wenig Wasseraufnahme, zu viel Zigarettenkonsum, zu langes Tragen von Kontaktlinsen – und zu viel Schminke.
Erste wissenschaftliche Studien belegen: Makeup stellt je nach Art und Intensität des Schminkens einen Stressfaktor für die Augen dar. Hierbei können neben der häufigen Austrocknung auch Reizungen sowie Infektionen auftreten. Allgemein betrachtet lassen sich vier Risikostufen für die Augen unterscheiden.
Das niedrigste Risiko birgt «normales» Makeup. «Es gibt wenig Risiken beim Auftragen von Eyeliner, Mascara oder Lidschatten», erklärt in der welschen Zeitschrift «Bienvu!» Dr. François Thommen, Spitalarzt und Co-Leiter der Poliklinik und Notfallstation der Augenklinik Jules-Gonin in Lausanne.
Diese Produkte würden zum Beispiel nur selten ernstzunehmende Infektionen verursachen, selbst wenn sie abgelaufen seien. Das Risiko betreffe eher Irritationsphänomene und Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen; dies insbesondere bei empfindlicher Haut, die zu Ausschlägen neigt. In dem Zusammenhang könnten entzündliche Reaktionen manchmal zu geschwollenen Augenlidern führen.
Auf Duftstoffe, Alkohol und ätherische Öle in Augennähe verzichten
Allerdings stehen Produkte, die am oder rund um den Augenbereich angewendet werden, immer öfter in Verbindung mit dem Auftreten oder der Verschlechterung eines trockenen Auges. Das Problem besteht laut Dr. Clara Wernigg, Augenärztin und Autorin des deutschsprachigen Infoportals «DocCheck», im folgenden Umstand: Kosmetikprodukte, die in Augennähe verwendet werden, gelangen meist in Bruchteilen auch über die Augenlidkante ins Auge selbst und können den vor Austrocknung schützenden Tränenfilm beeinträchtigen.
Auch treten immer wieder Allergien und Unverträglichkeiten auf Inhaltsstoffe in der Schminke auf. Daher sollten Menschen, die ein bestimmtes Makeup-Produkt benutzen, dessen Inhaltsstoffe überprüfen, vor allem wenn bereits Allergien auf Stoffe in Kosmetikprodukten bekannt sind. Die allgemeine Empfehlung lautet gemäss Wernigg, auf Duftstoffe, Alkohol und ätherische Öle im Augenbereich zu verzichten, da diese oft Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können. Personen mit allergischer Prädisposition rät die Augenärztin, Makeup-Neuerungen langsam – das heisst, ein Produkt nach dem anderen – in eine bestehende Schminkroutine einzuführen. So können mögliche allergieauslösende Produkte identifiziert und vermieden werden.
Lidränder sind heikle Stellen
Schminke gilt auch als potentieller Verursacher einer Lidrandentzündung, der sogenannten Blepharitis. Hierbei können sich Schuppen, Krusten, flache Geschwüre, Rötungen und Schwellungen auf dem Lidrand bilden und zu Beschwerden führen. Allergische Reaktionen sind auch hier möglich.
Dazu kommt die Verletzungsgefahr durch mechanische Reizungen. Je näher Eyeliner, Permanent-Make-up oder Kajal an den Lidrändern aufgetragen werden, desto grösser das Risiko – und von einer Anwendung an der inneren Lidkante ist aus augenärztlicher Sicht komplett abzuraten.
Just punkto Lidschatten empfiehlt sich ein besonders vorsichtiger Umgang. Beim Lidschlag oder beim Reiben der Augen gelangen viele kleine Lidschatten-Partikel auf die Augenoberfläche und verhalten sich wie Fremdkörper. Das heisst, sie können die Binde- und Hornhaut irritieren und eine Entzündung auslösen.
Glitzerpartikel und «kriechende» Körpercrème
Auch bei weiteren Kosmetikprodukten für den Augenbereich ist Vorsicht angebracht. So raten zum Beispiel viele Augenärztinnen und -ärzte, wasserfeste Wimperntusche zu meiden, da sie Inhaltsstoffe enthalten kann, welche die Augen reizen. Entferner für wasserfestes Makeup entfalten verständlicherweise eine eher aggressive Wirkung und müssen mit Bedacht angewendet werden. Bei der Entfernung kommt es meist auch zu mehr Reibung an Augenlidern und Wimpern, was die zarte Augenpartie zusätzlich belastet.
Von der Verwendung von Glitzerpartikeln rät die Augenärzteschaft klar ab. Denn auch vom Glitzer gelangen immer wieder Bruchteile in die Augen und können den Tränenfilm beeinträchtigen, an der Hornhaut scheuern und somit kleine Verletzungen verursachen.
Selbst das Auftragen von normaler Crème im Gesicht ist nicht ganz ohne Risiko. Denn auch Hautcrème stellt einen Fremdkörper dar, der die Augen reizen kann. Gerade in diesem Fall muss ein klarer Abstand zu den Lidrändern eingehalten werden, denn Körper- bzw. Hautcrèmes neigen dazu, zu «kriechen», d.h. sich selbsttätig weiter auf der Haut auszubreiten. Im Gegensatz zu Körpercrèmes sollten sich spezielle Augencrèmes weniger weit verteilen und nicht in die Augen «kriechen».
Dauer-Makeup irritiert die Meibomschen Drüsen
Auf der Risikostufe zwei rangiert das Permanent-Makeup, das eine Art Tätowierung darstellt. Technisch betrachtet bringt hierbei ein Pigmentiergerät nahe des äusseren Lidrandes durch hunderte Einzelstiche einen bestimmten Farbstoff in die Haut ein.
Laut einem Fachartikel des Vorarlbergischen Augenarztes Dr. Christoph Laufenböck, der in der «Österreichischen Ärztezeitung» publiziert wurde, hat sich Dauermakeup als typischer Risikofaktor für die Entwicklung eines trockenen Auges erwiesen.
Im Zusammenhang mit einem trockenen Auge spielen die sogenannten Meibomschen Drüsen eine wichtige Rolle. Es handelt sich um Talgdrüsen, die sich parallel am Ober- sowie am Unterlid befinden und die ein fetthaltiges Sekret produzieren. Dieses wird normalerweise bei jedem Lidschlag über die ganze Tränenflüssigkeit verteilt, um den Tränenfilm des Auges vor Austrocknung zu schützen und das problemlose Gleiten der Augenlider über den Augapfel zu ermöglichen.
Eine diesbezügliche Studie mit hundert Frauen führte gemäss Laufenböck zu folgendem Ergebnis: Bei den Personen mit «tätowierten» Lidrändern kam das Sicca-Syndrom häufiger vor. Zudem wiesen die Frauen, deren Augen mit Permanent-Makeup versehen waren, im Vergleich zu unbehandelten Lidrändern einen instabileren Tränenfilm auf – dies ist auch auf eine Dysfunktion der Meibomschen Drüsen zurückzuführen, die durch die Dauerschminke irritiert wurden.
Ausserdem besteht bei Dauerschminke noch eine toxische Gefahr: Die Inhaltsstoffe der angewendeten Makeup-Tinte sind nicht standardisiert und können daher verschiedenste Substanzen bis hin zum giftigen Arsen enthalten. Dieses war übrigens in früheren Jahrhunderten ein typischer Kosmetikbestandteil, der immer wieder zu gesundheitlichen Problemen führte.
Infektionen mit Viren, Bakterien, Milben oder Pilzen
Die dritte Risikostufe betrifft die Möglichkeit viraler und bakterieller Infektionen. Wer zum Beispiel eine ansteckende virale Bindehautentzündung hatte, sollte die zuvor benutzten Makeup-Produkte wegwerfen. So wird eine erneute Ansteckung bei sich selber oder bei anderen Personen, welche das infizierte Makeup benutzen möchten, verhindert. Auch ist es besser, Makeup nicht zu warm zu lagern, da sonst Inhaltsstoffe, die insbesondere das Wachstum von Bakterien hemmen sollen, weniger wirksam sind.
Wimperntusche sollte gemäss DocCheck-Autorin Wernigg alle drei bis vier Monate erneuert werden, bei starker Verunreinigung noch früher. Sobald die Tusche nämlich in Kontakt mit den Wimpern kommt, gelangen die auf den Wimpern vorhandenen Bakterien und Demodexmilben auf die Bürste.
Wird die infizierte Tuschenbürste in ihr dunkles Behältnis zurückgelegt, vermehren sich dort die Bakterien und Milben, aber auch Pilze und Viren. Sie alle erhöhen mit der Zeit das Risiko einer ernsten Infektion des Lidrandes oder des ganzen Auges.
In einer wissenschaftlichen Studie konnten zum Beispiel Demodexmilben noch Stunden bis mehrere Tage nach der Kontamination in Makeup nachgewiesen werden. Kosmetikprodukte, die in einen direkten Kontakt mit der Haut oder auch nur mit den Wimpern kommen, sollten daher nicht weitergegeben oder gemeinschaftlich benützt werden. Auch in Geschäften oder Drogeriemärkten ist es nach Dr. Werniggs Einschätzung empfehlenswert, nur neue Proben zu verwenden und sonst auf das Ausprobieren zu verzichten.
Infektionsrisiko steigt bei Kosmetiklinsen
Kosmetiklinsen sind besonders bei jungen Menschen beliebt: Wenn die Pupillen verschiedenfarbig oder wie die einer Katze sein können, ist das sicher amüsant. Jedoch weisen solche Linsen ein erhöhtes Infektionsrisiko auf – und dies nicht nur, weil generell das Tragen von Kontaktlinsen viele Möglichkeiten der Einnistung von Erregern bietet oder das Auge mechanisch reizt, bis es entzündet ist.
Man sollte sich über die Gefahren informieren, die mit der Verwendung von Kontaktlinsen verbunden seien, vor allem wenn sie wie die Kosmetiklinsen aus einem Online-Kauf stammten, erklärt Dr. Thommen von der Lausanner Augenklinik Jules-Gonin.
Laut Thommens Worten gibt es im Gegensatz zu medizinischen Kontaktlinsen bei den rein ästhetischen Linsen keine Kontrolle durch kompetente, ausgebildete Personen, um diese an die Augen anzupassen. Schon dies allein stellt ein gewisses Risiko dar. Ausserdem enthalten die Kosmetiklinsen bestimmte Pigmente, die zur Färbung der Linse verwendet werden und die es Bakterien ermöglichen, sich relativ schnell auf der Linse anzusiedeln.
Alle diese Faktoren zusammen erhöhen das Risiko einer infektiösen Komplikation beim Tragen kosmetischer Kontaktlinsen. Aus diesem Grund rät Augenarzt Thommen von der Verwendung solcher Linsen ab.
Wer dennoch nicht darauf verzichten will, sollte sich Rat bei Expertinnen oder Experten holen und die Kosmetiklinsen sehr vorsichtig handhaben. Das heisst zum Beispiel, sich vor dem Auftragen der Linsen die Hände zu waschen, die maximalen Tragezeiten einzuhalten, die Linsen nach dem Gebrauch zu entsorgen und sie keinesfalls in einer sehr feuchten Umgebung oder während des Schlafs zu tragen.
Die grösste Gefahr bergen modische Augen-Tattoos
Die vierte und damit höchste Risikostufe stellt die aus Amerika importierte Augentätowierung dar. Bei dieser extremen Praxis werden Farbpigmente direkt unter die Bindehautoberfläche, also in die Zone zwischen dem Augenweiss und der Bindehaut, gespritzt.
Der Augapfel erhalte dadurch eine Färbung, die man nicht mehr rückgängig machen könne, warnt Dr. Thommen. Ausserdem gebe es zahlreiche medizinische Risiken: Wenn die Tätowierung von einer Person vorgenommen werde, die nicht in der Anatomie des Auges geschult sei, bestehe das Risiko einer Perforation der Hornhaut oder des Augapfels, einer Schädigung der Netzhaut, einer Netzhautablösung oder einer Infektion des Auginneren. Im schlimmsten Fall drohe der Verlust des betreffenden Auges. Daher rät der Experte dringend, auf Augen-Tattoos zu verzichten.
Lesen Sie hier die Tipps zum Schminken und Abschminken
Artikel “Trockene Augen – Sicca-Syndrom”
Quellen:
DocCheck (mit Angabe der wissenschaftlichen Studien)