Beim Grünen Star, im Fachjargon Glaukom, handelt es sich um eine Beeinträchtigung des Sehnervs. Die Ursache ist meist ein Überdruck im Augeninneren. Grüner Star gilt weltweit nach dem Grauen Star (Trübung der Augenlinse) als die zweithäufigste Ursache für eine Erblindung. Das Grundproblem ist: Jedes zweite Glaukom wird zu spät erkannt.
Ein Beitrag anlässlich der Weltglaukomwoche Mitte März 2025
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch;
Der Senior Carl Niedermann (Name geändert) aus Luzern hat seit über zehn Jahren Grünen Star (Fachausdruck: das Glaukom). Anfänglich stellte er nur eine leichte Trübung seiner Sicht fest. Das störte den Computerfachmann kaum und schränkte ihn in seinen Tätigkeiten praktisch auch nicht ein.
Daher zögerte er den Besuch beim Arzt lange Zeit hinaus, obwohl er wusste, dass mit seinen Augen etwas nicht stimmte. Erst als Niedermann normal grosse Texte auf Papier nicht mehr lesen konnte, suchte er endlich einen Augenspezialisten auf. Die Diagnose lautete auf ein beidseitiges Glaukom, das durch zu hohen Druck im Augeninneren entstanden war.
Sehen wie durch Löcher oder wie durch einen Spalt
Bei Erika Buri (Name ebenfalls geändert), einer Seniorin aus einem Dorf bei Luzern, begann alles vor zwanzig Jahren nach einer Operation des rechten Auges. Wenn Buri damals ihr linkes Auge schloss, hatte sie Leseprobleme, erkannte einzelne Buchstaben nicht, stellte Lücken im Text fest – denn mit dem rechten Auge sah sie wie durch Löcher.
Mit der Zeit schränkte sich ihr Gesichtsfeld seitlich stark ein: Heute sieht Buri nur noch wie durch einen schmalen Spalt. Ausserdem nimmt sie alles wie durch einen Nebel wahr, der gegen unten dichter wird: Sie hat also keine Sicht mehr auf den Boden.
Weil Erika Buri eher unauffällige Augendruckwerte hatte, dachte ihr erster Augenarzt nicht an Grünen Star – erst eine spätere Untersuchung in einem Unispital brachte die Diagnose «Normaldruckglaukom».
Der Sehnerv erkrankt vor allem aus zwei Gründen
Das Glaukom gilt als die häufigste Erkrankung des Sehnervs. Dieser leitet die optischen Eindrücke vom Auge ins Sehzentrum des Gehirns weiter, wo sie interpretiert und eigentlich erst zu Bildern werden.
Konkret handelt es sich beim Glaukom um die allmähliche Zerstörung der Nervenfasern rund um den Sehnerv-Kopf im Hintergrund des Auges. Dieser Prozess dauert mehrere Jahre und führt zur Erblindung, wenn keine Behandlung erfolgt.
Wie die geschilderten Fälle zeigen, gibt es zwei Hauptgründe für die Entstehung von Grünem Star. Zum einen entsteht er durch einen zu hohen Augeninnendruck, was meistens der Fall ist. Man muss es sich folgendermassen vorstellen: Zwischen der Hornhaut und der Augenlinse befindet sich eine mit Nährflüssigkeit gefüllte Kammer, die spezielle Abflusskanälchen hat – ist nun der Abfluss des Kammerwassers zum Beispiel durch Ablagerungen behindert, steigt der Druck an. Ein anderer Grund für den Anstieg kann auch sein, dass mehr Kammerwasser als normal produziert wird und dieses sich gewissermassen staut.
Der erhöhte Kammer-Druck führt in der Folge im Inneren des Augapfels selbst zu einem Anstieg des Drucks. Dieser legt sich auch auf den Sehnervenkopf und dessen Umgebung und kann so eine ausreichende Versorgung mit Blut und Nährstoffen behindern. Als Folge sterben allmählich die Sehnervenfasern ab, die dauerhaft unter zu viel Druck stehen.
Das Problem mit dem Blutdruck und den Blutgefässen
Der zweite und weniger häufige Grund für ein Glaukom ist eine schädliche Mangeldurchblutung des Sehnervs selbst – und das bei normalem Augeninnendruck. In diesem Fall sind überwiegend zu niedrige Blutdruckwerte, Schwankungen des Blutdrucks, Durchblutungsstörungen oder auch Gefäss-Spasmen die Verursacher. Manchmal steigt auch der Augendruck bloss innerhalb des Normalbereiches an, ist jedoch trotzdem höher, als es der Sehnerv einer betroffenen Person vertragen kann.
Zu einer Schädigung des Sehnervs können ausserdem noch folgende Faktoren führen: Diabetes, schwere Entzündungen im Auge, eine langfristige Kortisontherapie oder andere Medikamentenkuren, ein retinaler Venenverschluss, eine problematische Katarakt-Operation (Grauer Star) sowie schlicht zu hoher Blutdruck.
Daneben gibt es als seltenere Erscheinung Erkrankungen der Sehbahn, die auf defekte Gene zurückzuführen und somit erblich sind: Zu nennen sind hier vor allem die Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie (Erkrankung des Sehnervs selbst) und die autosomal dominante Optikusatrophie (Schwund des Gewebes der Sehnerven). Beide Krankheitsbilder entwickeln sich oft in den ersten beiden Lebensjahrzehnten, können sich aber auch erst später bemerkbar machen.
Von diesen vier Grundszenarien der Glaukomentstehung lässt sich sehr leicht der sogenannte akute Glaukomanfall unterscheiden. Durch eine plötzliche, komplette Abflussblockade der Flüssigkeit in der Kammer des vorderen Augenteils kann der Druck im ganzen Auge schlagartig ansteigen. Eine schnelle Sehverschlechterung und merkliche Schmerzen sind die Folge – dies ist als medizinischer Notfall anzusehen und verlangt eine sofortige augenärztliche Behandlung.
Eine Volkskrankheit, und die Symptome treten (zu) spät auf
Das Risiko, an einem Glaukom zu erkranken, nimmt schon ab dem 40. Altersjahr deutlich zu. In der Schweiz sind 2,7 Prozent der über 40- und 4,6 Prozent der über 60-Jährigen betroffen. Ungefähr 200 Personen erblinden jedes Jahr wegen eines Glaukoms. Weltweit ist Grüner Star nach dem Grauen Star (Trübung der Augenlinse, im Fachjargon Katarakt) der zweithäufigste Grund für eine Erblindung – und in den Industrieländern sogar der häufigste Grund. Häufig besteht auch eine familiäre Belastung.
Das Problem beim Grünen Star ist seine schleichende Entwicklung. Relativ lange Zeit bleibt die Schädigung des Sehnervs unbemerkt und schmerzfrei: Das Gehirn kompensiert nämlich die ersten Gesichtsfeldausfälle, d.h. die ersten blinden Flecken, mühelos und lenkt damit die Aufmerksamkeit einer betroffenen Person von möglichen Sehschwierigkeiten ab.
Erst wenn die blinden Flecken immer grösser werden und allmählich miteinander verschmelzen, nehmen die Betroffenen eine Einschränkung ihres Gesichtsfeldes wahr. Doch dann ist es zu spät: Das Glaukom befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium, und die bereits erfolgte deutliche Schädigung des Sehnervs bzw. der Verlust von Nervenfasern sind irreversibel.
Jede(r) Zweite ahnt nichts von der eigenen Glaukom-Erkrankung
Wegen der spät bemerkten Symptome ist die Glaukom-Dunkelziffer hoch. In Deutschland liegt sie laut der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft bei zirka 56 Prozent, in der Schweiz dürfte diese Zahl ähnlich hoch sein – jede zweite betroffene Person weiss also nichts von ihrer Glaukom-Erkrankung.
Daher sind eine frühzeitige Diagnose und eine rasche Behandlung von entscheidender Bedeutung für die Lebensqualität. Die allgemeine Empfehlung lautet, regelmässig zu augenärztlichen Routinekontrollen zu gehen.
Komplexe Untersuchung ist für die Wahl der richtigen Therapie notwendig
Insbesondere wenn Glaukom-Erkrankungen in der Familie bekannt sind, liegt ein erhöhtes Risiko für eine eigene Erkrankung vor. AugenärztInnen empfehlen bei einer familiären Vorbelastung regelmässige Kontrollen ab einem Alter von 40 Jahren.
Notwendig für eine Früherkennung des Glaukoms ist ein kombiniertes Vorgehen: Es sollten eine Messung des Augeninnendrucks, eine Untersuchung der Nervenfaserdicke in der Netzhaut, eine Beurteilung des Sehnervs sowie eine Untersuchung des Gesichtsfeldes erfolgen.
Um die Schädigung des Sehnervs zu stoppen oder wenigstens deutlich auszubremsen, müssen die Durchblutung des Sehnervs verbessert und der Druck im Auge normalisiert werden.
Ohne Therapie führt jedes Glaukom zur Erblindung, mit Therapie kann eine solche fast immer verhindert werden. Allerdings genügt eine gute Einstellung des Augendrucks allein nicht in jedem Fall, um die voranschreitende Degeneration des Sehnervs merklich aufzuhalten. Wichtig können auch die Untersuchung der Blutgefässe und eine Kontrolle des Blutdruckverlaufs sein.
Quellen: