Für Personen mit erblichen Netzhauterkrankungen soll die Genanalyse Standard werden: So lautet die Forderung der Dachorganisation Retina International. Auch Retina Suisse setzt sich für den Gentest sowie für das Patientenregister ein.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch
Viele Krankheiten des Auges betreffen die Retina – die Netzhaut – und ihre Sehzellen, die sehr sensibel auf Störungen und schädliche Einflüsse reagieren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die meisten Netzhautkrankheiten selten bis äusserst selten. Bei diesen handelt es sich um erbliche Netzhautdystrophien, ausgelöst durch veränderte Gene.
Einerseits kann ein einzelnes Gen – je nach Veränderung – zu unterschiedlichen Krankheiten führen. Andererseits können mehrere Gene ein und dieselbe Erkrankung verursachen. Um eine eindeutige Diagnose stellen zu können, muss das betreffende Gen identifiziert werden. Daher braucht es zur abschliessenden Diagnose die Genanalyse.
Mehr als 300 Gene
Die Dachorganisation Retina International fordert, dass bei Menschen mit einer erblichen Netzhauterkrankung die Untersuchung der Gene zum Standardverfahren wird. Zu diesem Zweck hat eine Arbeitsgruppe von Retina International mit Mitgliedern aus 16 Ländern eine Liste allgemeiner Kriterien zusammengestellt. Anhand dieser soll die Einführung eines Standard-Gentests vereinfacht werden.
Auch Retina Suisse setzt sich für den Gentest ein und unterstützt zudem den weiteren Aufbau des Schweizer Registers für seltene Krankheiten (SRSK). Konkret finanziert Retina Suisse ein zusätzliches «Ophtha-Modul» innerhalb dieses Registers (siehe weiter unten).
Mehr als 300 verschiedene Gene können eine Erkrankung der Retina auslösen. Daher sind ohne Genanalyse oft keine präzise Diagnose, Beratung und Behandlung möglich. «Eine Genanalyse sollte zur Diagnose einer erblichen Netzhauterkrankung wie Retinitis pigmentosa unbedingt dazugehören. Sonst sagt der Arzt nur, dass der Patient chronisch krank sei», erklärt Stephan Hüsler, Geschäftsleiter von Retina Suisse. Und genau das führe bei den Betroffenen wie auch bei ihren Angehörigen zu grossen Unsicherheiten.
Krankenkassen zahlen nicht immer
Erfolgt eine Gendiagnose, öffnet sich eine wichtige Tür. Sie ermöglicht die Teilnahme Betroffener an Forschungsprogrammen und klinischen Versuchen, die zu besseren Therapien führen können. Das Problem dabei ist: Die Schweizer Krankenkassen übernehmen laut Hüsler die Kosten für solche Genanalysen immer noch in zu wenigen Fällen.
Nur wenn eine Kostengutsprache der Krankenkasse vorliegt, kann eine umfassende Genuntersuchung erfolgen. Und nach geltendem Recht muss der Versicherer die Analysekosten von 3000 bis 4000 Franken übernehmen, sofern die Untersuchung der Diagnose oder Behandlung einer Netzhautdystrophie und deren Folgen dient.
Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass eine Krankenkasse die Kostengutsprache ablehnt. Dann bleibt nur noch die Möglichkeit, einen Rekurs einzureichen und ihn mit zusätzlichen Informationen zu begründen. Dieses Prozedere belastet die betroffenen Menschen noch mehr.
Patientenregister mit «Ophtha-Modul»
Retina-Suisse-Geschäftsleiter Hüsler setzt sich generell für die Förderung von Genanalysen ein. Diese bilden die Basis für das Schweizer Register für seltene Krankheiten (SRSK), dessen weiteren Aufbau erunterstützt. Denn je mehr Daten zusammenkommen und analysiert werden, desto eher ergeben sich am Ende neue Erkenntnisse zum Vorteil der Patientinnen und Patienten.
Konkret finanziert Retina Suisse ein zusätzliches «Ophtha-Modul» innerhalb des Registers für seltene Krankheiten. Darin werden die genauen Geninformationen aus den Tests und weitere Informationen gespeichert, die für Forschung und klinische Studien wichtig sind.
Folgende Ziele verfolgt Retina Suisse mit dem Ophtha-Modul:
• zuverlässige Diagnosen für Patientinnen und Patienten ermöglichen
• Therapiemöglichkeiten erkennen
• Informationen über die in der Schweiz vorkommenden Netzhaut-Dystrophien bereitstellen
• Erkenntnisse sammeln über die Art und Häufigkeit der erblichen Netzhautdystrophien in der Schweiz sowie über das Alter bei Beginn der Erkrankung
• die Aufmerksamkeit der internationalen Forschungsgemeinschaft auf das Register für seltene Krankheiten lenken und somit mehr klinische Studien in der Schweiz ermöglichen
• Patientinnen und Patienten über klinische Studien in der Schweiz und im umliegenden Ausland informieren.
Die Datenbank von Retina Suisse hat bereits einige Wirkung gezeigt. So wurden Kontakte zu Forschenden in den USA, Grossbritannien, den Niederlanden, Belgien und Schweden hergestellt oder intensiviert. In einigen Fällen ergaben sich daraus gemeinsame Forschungsprojekte. Zudem konnten Patientinnen und Patienten an Studienzentren im Ausland vermittelt werden.
Ablauf einer Gendiagnose
Zunächst muss die klinische Diagnose einer Netzhautdystrophie erfolgen. Oder zumindest der Verdacht dazu vorliegen. Betroffene sollten daraufhin in eine Klinik mit Sprechstunde für seltene Augenkrankheiten geschickt werden, um die Möglichkeit einer Genuntersuchung zu besprechen.
Oftmals gelangen Patientinnen und Patienten mit einer Netzhautdystrophie auch an Retina Suisse. Hier finden Gespräche statt, in denen die PatientInnen über die möglichen Konsequenzen der Gendiagnose aufgeklärt werden.
Sind die Betroffenen mit einer Genanalyse einverstanden, wird die Blutentnahme durchgeführt. Im Labor erfolgt dann die Isolierung und Untersuchung der DNA, was ein längerer Prozess ist: In der Regel liegen die Ergebnisse nach vier bis sechs Monaten vor.
Anschliessend finden die Personendaten Eingang ins Patientenregister, wenn der oder die Betroffene zustimmt. Die Registrierung ist allerdings nicht immer möglich: Bei Netzhautdystrophien lässt sich in einem von fünf Fällen der genetische Defekt noch nicht identifizieren.
Überraschungen nicht ausgeschlossen
Gelegentlich kommen auch unangenehme Tatsachen ans Licht. «Die Genanalyse kann zum Beispiel zeigen, dass ein Risiko von 50 Prozent besteht, die krankheitsverursachende Genvariante an die Nachkommen weiterzuvererben», sagt Prof. Dr. Pascal Escher, Leiter der Forschungsgruppe für Ophthalmogenetik am Inselspital Bern und Verantwortlicher der Retina-Suisse-Datenbank.
Deshalb würden im Vorfeld der Untersuchung eingehende Gespräche mit den Betroffenen geführt, so Escher. Damit sie sich ein besseres Bild davon machen könnten, was die Genanalyse für ihre Zukunft bedeute.
Eintragung ins Patientenregister
Patientinnen und Patienten, die bereits eine Gendiagnose haben, kön-nen sich ins Register für seltene Krankheiten eintragen lassen.
Angaben dazu finden Interessierte unter den folgenden Links von Retina Suisse: