Sie sind durch die Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa stark sehbeeinträchtigt: Edith Sidler (38, aus Hagendorn ZG, links im Bild) und Jacqueline Egger (60, aus Luzern). Doch sie führen ein aktives Leben und haben nun einen eigenen Podcast gestartet. Die Sendung heisst «imBlindpunkt» und kommt auch dank der Unterstützung von Retina Suisse zustande.
Interview: Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch; November 2024
Frau Sidler, Frau Egger, was ist der Sinn und Zweck Ihres Podcast «imBlindpunkt»?
Edith Sidler: Ganz einfach, mit dem Podcast wollen wir unseren eigenen Lebensalltag und den anderer Betroffener unter die Lupe nehmen.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Edith Sidler: Als Sehbehinderte sind wir im Alltag immer wieder mit Vorurteilen und Hindernissen konfrontiert und müssen diese überwinden. In der Vergangenheit waren wir oft auf uns allein gestellt und mussten selber nach Erklärungen und Lösungen suchen. Jetzt möchten wir mit dem Podcast anderen Betroffenen und auch den Angehörigen zeigen, dass sie überhaupt nicht allein sind. Und wir wollen ihnen Mut machen.
Ist ein starkes Bedürfnis für so ein Format vorhanden?
Jacqueline Egger: Davon bin ich überzeugt! Edith und ich haben alle Stadien der Sehverschlechterung durchlaufen und kennen den damit verbundenen Leidensdruck nur zu gut. Also konzentrieren wir uns in unserer Sendung auf eine positive und aktive Lebensgestaltung.
Ihr Podcast soll also in erster Linie eine Art Plattform für Betroffene sein.
Edith Sidler: Im Alltag stark sehbehinderter und blinder Menschen tauchen viele typische Fragen auf. Wir möchten im gegenseitigen Austausch mögliche Antworten geben. Das heisst, wir beantworten Fragen der Zuhörenden und laden auch Gäste ein. Ein wichtiges Ziel ist, unsere Erfahrungen mit anderen Betroffenen zu teilen und sinnvolle Schlüsse daraus zu ziehen.
Die erste Folge des Podcast ist bereits produziert. Worüber sprechen Sie?
Jacqueline Egger: Das erste Thema ist der weisse Stock. Er ruft deutliche Emotionen hervor. Vielen Betroffenen fällt es nämlich am Anfang schwer, ihn als Hilfsmittel einzusetzen. Wir diskutieren über unsere eigenen Erfahrungen mit dem weissen Stock und erklären unsere persönlichen Tricks. Und berichten auch über positive Erlebnisse.
Edith Sidler: Weiter richten wir folgende Frage an die Zuhörenden: Haben blinde oder sehr schlecht sehende Personen immer einen Führhund? Stimmt das, oder ist es ein grosser Irrtum?
Jacqueline Egger: Ausserdem zeigen wir, welche Schwierigkeiten blinde Menschen generell haben. Und wie Sehende ihnen am besten helfen können.
Ihr Podcast soll also auch Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit leisten.
Jacqueline Egger: Wir suchen nicht nur die Aufmerksamkeit von Betroffenen und Angehörigen. Die Sensibilisierung der normal Sehenden ist uns genauso wichtig. Wir möchten ihnen die Augen für das Leben sehbehinderter Menschen öffnen, um mehr Verständnis zu schaffen.
Das ist ein wichtiges und ernstes Anliegen. Hat das Auswirkungen auf den grundlegenden Tonfall des Podcast?
Edith Sidler: Wir gehen die verschiedenen Themen mit Leichtigkeit und gleichzeitig mit Tiefe an. Wir berichten offen, ehrlich, kritisch und witzig über den Alltag sehbehinderter Menschen. Der Tonfall wird also ein Mix zwischen eher ernst und locker-entspannt sein.
Welche weiteren Themen sollen mit der Zeit zur Sprache kommen?
Jacqueline Egger: Es gibt viele praktische und auch psychologische Fragen, über die wir diskutieren können. Wie wählen wir die Kleider aus, die uns gefallen? Welche Reisen machen wir und wie erleben wir sie, auch ohne etwas visuell wahrzunehmen? Auf welche Herausforderungen treffen wir im Berufsleben? Wie halten wir den Haushalt in Schuss, und wie kümmern wir uns um unsere Kinder? Wie gehen wir als Sehbehinderte mit unseren Frustrationen um und pflegen eine positive Lebenshaltung?
Wo möchten Sie mit Ihrem Podcast in ein paar Jahren stehen?
Edith Sidler: Wir hoffen, dass wir mit unseren Themen den Menschen tatsächlich eine Art Unterstützung bieten. Und dass wir möglichst viele interessante Dinge beleuchten können.
Können Sie uns zum Schluss noch Ihr persönliches Lebensmotto verraten?
Jacqueline Egger: Unsere Lebensumstände sind völlig verschieden. Aber unser starker Wille verbindet uns und ist nötig in einer Gesellschaft, die vom visuellen Erleben beherrscht wird.
Edith Sidler: Und auch unsere Lebensfreude verbindet uns!
Zugang zum Podcast unter: www.imblindpunkt.ch