Etwa 35 Prozent aller Menschen, die am weit verbreiteten Typ-2-Diabetes leiden, erkranken an diabetischer Retinopathie. Der Verlauf ist schleichend, was regelmässige Kontrollen erfordert. Bei der Behandlung spielen Spritzenkuren und Nebennierenhormone die wichtigste Rolle.
Je nach Schweregrad der Erkrankung werden verschiedene Stadien unterschieden. Die Frühform, die als nicht-proliferative diabetische Retinopathie bezeichnet wird, kann minimal, mässig oder schwer sein.
Die Gefässwände der Netzhaut werden brüchig, was zu kleinen Aneurysmen (lokale Aussackungen eines Blutgefässes, die sich aufgrund einer Schwächung oder Schädigung der Gefässwand entwickeln und platzen können) sowie zu Mikroblutungen führt. Meistens haben diese Anomalitäten keine Auswirkungen auf das Sehvermögen.
Wenn die Krankheit fortschreitet, verstopfen sich die betroffenen Gefässe, und die Netzhaut wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt – dann spricht man von «Ischämie». Dies führt häufig zur Bildung neuer, abnormaler Gefässe. Diese können zu Blutungen im Auge oder zu Grünem Star führen. In diesem Fall handelt es sich um die proliferative Form.
Häufigste Ursache für Erblindung bei unter 50-Jährigen
Eine weitere Folge des fortgeschrittenen Stadiums ist die Bildung von Gewebe auf der Netzhaut, das Spannung erzeugt und so zu einer Ablösung der Netzhaut führen kann. Ein erheblicher Sehverlust ist die Folge, der durch einen komplizierten chirurgischen Eingriff oft rückgängig oder gemildert werden kann.
Unabhängig vom Stadium der Krankheit können die beschädigten Gefässe ein Makulaödem verursachen. Dabei handelt es sich um eine Schwellung der Netzhautmitte, die das scharfe Sehvermögen erheblich beeinträchtigt und die Hauptursache für die Abnahme des Sehvermögens bei Diabetikern ist.
So erstaunt die Tatsache nicht, dass diabetische Retionopathie die weltweit die häufigste Ursache für Erblindung bei Menschen unter 50 Jahren ist.
Augenkontrolle mindestens einmal pro Jahr
Die Krankheit verläuft schleichend, weshalb ein Screening unerlässlich ist. Bei wem Typ-2-Diabetes diagnostiziert wurde, sollte unbedingt einen Termin bei einer Augenärztin oder einem Augenarzt vereinbaren, um den Zustand der Augen überprüfen zu lassen.
Bei Personen mit dem selteneren autoimmunen Typ-1-Diabetes wird die Kontrolle drei bis fünf Jahre nach der Diagnose der Krankheit empfohlen, mit einer Untersuchung vor und während der Pubertät.
Auf jeden Fall sollten Menschen mit Diabetes ihre Augen mindestens einmal pro Jahr kontrollieren lassen.
Mehrere Therapieansätze möglich
Bei rechtzeitigem Screening sind mehrere Behandlungsansätze möglich. Als die wirksamste Therapie erweisen sich heute intraokuläre Injektionen gegen VEGF – gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor, also gegen ein Protein, das die Blutgefässe in den Augen verengt.
Dazu kommt als Variante die Verabreichung von Kortikosteroiden (Oberbegriff für Hormone, die in der Nebennierenrinde gebildet werden und die – teilweise künstlich hergestellt – auch als Medikamente zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel als Cortison oder Prednison). Kortikosteroide verringern die beeinträchtigte Durchlässigkeit der kleinen Netzhautgefässe.
Durch diese Methoden wird das Makulaödem reduziert und die Sehschärfe stabilisiert oder sogar verbessert. Als Schutzfaktoren gelten ein auf Normwerte gesenkter Blutzuckerspiegel sowie die Überwachung des Cholesterinspiegels und des Blutdrucks.
Was sind die Risikosituationen?
Bestimmte Situationen erfordern eine noch genauere augenärztliche Überwachung. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Blutzuckerwerte schnell korrigiert werden müssen oder wenn eine neue Behandlung begonnen wird. Auch die Schwangerschaft ist ein heikler Moment, ebenso die Einnahme bestimmter Diabetesmedikamente wie Semaglutid.
Menschen mit Diabetes haben auch ein doppelt so hohes Risiko, ein Glaukom bzw. Grünen Star zu entwickeln. Es handelt sich um eine Erkrankung, die das Gesichtsfeld einschränkt und zur Erblindung führen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Zudem tritt der Graue Star (Linsentrübung, die mit langsamem Sehverlust einhergeht) bei Menschen mit Diabetes früher auf.
Quelle: Bien vu! (14.9.2024)