Die Zuckerkrankheit ist tückisch: Sie kann lange unbemerkt bleiben, aber schon früh Folgeschäden in verschiedenen Organen verursachen, unter anderem im Auge. Oft werden die Schädigungen zu spät entdeckt.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch
Zunächst gilt es, mit einem Vorurteil aufzuräumen. Die Zuckerkrankheit ist keine Alterskrankheit, obwohl ihre häufigste Variante gerne als «Altersdiabetes» bezeichnet wird. Auch jüngere Menschen und Jugendliche können an Diabetes erkranken, sprich zu viel Zucker im Blut haben. Unbehandelt schädigt diese Stoffwechselkrankheit bei allen Personen zunächst die Blutgefässe und in der Folge bestimmte Organe, darunter das Auge.
Sechs Typen von Diabetes gibt es, zwei davon weisen eine relevante Häufigkeit auf. Am autoimmun bedingten Typ 1 leiden 5 Prozent aller Zuckerkranken, am Typ 2 hingegen 90 Prozent; die restlichen 5 Prozent setzen sich aus seltenen Sonderformen zusammen. Die allermeisten Betroffenen haben also Diabetes vom Typ 2 – und dieser ist schon vor längerem zu einer weltweiten Volkskrankheit geworden.
Bauchfett als negativer Faktor
Der Hauptgrund dafür ist relativ einfach: Immer mehr Menschen auf der Welt, vor allem in den Wohlstandsländern, sind übergewichtig. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Bauchfett, das je nach Bauchumfang zu einem erhöhten Blutfettgehalt führt, den Stoffwechsel generell negativ beeinflusst und Erkrankungen wie das Metabolische Syndrom mit auslösen kann. Just dieses Syndrom trägt wesentlich zur Entstehung des Typ-2-Diabetes bei.
Als weitere negative Faktoren gelten zu wenig Bewegung und Vererbung. Und auf den ersten Blick auch das Alter: Je älter man wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Typ-2-Diabetes zu bekommen. Ins Risikoalter kommt man schon ab 40 Jahren, und ab 70 erhöht sich die Gefahr noch einmal deutlich. Daher spricht man gerne von Altersdiabetes.
Aber diese Bezeichnung erzeugt heutzutage eine falsche Vorstellung. Der Trend geht klar dahin, dass weltweit auch immer mehr jüngere Menschen übergewichtig sind und somit häufiger an Typ 2 erkranken. Typ 1 entwickelt sich meist schon bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen, und von den seltenen Diabetesformen sind je nachdem verschiedene Altersgruppen betroffen.
Retinaschäden und Infarkte
Wer also dauerhaft zu viele Kalorien aufnimmt, hat ein stark erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. Genauer betrachtet bedeutet dies: Es steigt die Gefahr, eine Resistenz gegen das von der Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin zu entwickeln. Dieser Stoff wird ausgeschüttet, wenn nach dem Essen der Blutzuckerspiegel steigt, und regt die Körperzellen dazu an, Glukose bzw. Traubenzucker aus dem Blut aufzunehmen. Bei Typ-2-Diabetes reagieren nun die Zellen nicht richtig auf das Insulin – daher steigt der Blutzuckerspiegel dauerhaft zu stark an.
Wenn keine Behandlung eingeleitet wird, entwickeln hohe Zuckerwerte im Blut eine stark schädliche Wirkung. Das Tückische dabei ist: Man kann an Typ-2-Diabetes erkranken und relativ lange nichts bemerken. Die Erkrankung entwickelt sich meist schleichend, und erste Symptome stellen sich erst nach einer gewissen Zeit ein. Zudem sind die Symptome untypisch, denn ständiges Durstgefühl, häufige Infektionen bzw. Pilzerkrankungen, Harndrang, Abgeschlagenheit und trockene, juckende Haut können vielerlei bedeuten.
Ohne Gegenmassnahmen schädigen die zu vielen Zuckermoleküle im Blut zunächst die Innenwände der feinsten Blutgefässe, der Kapillaren. Dieser Vorgang kann im Grunde alle winzigen Gefässe im Körper betreffen, aber besonders empfindlich reagieren vor allem die Kapillaren der Augennetzhaut, der Nieren und solche Gefässe, die Nervenzellen versorgen.
In der Folge können diese geschädigten Kapillaren die sie umgebenden Zellen nicht mehr mit genügend Sauerstoff versorgen. Doch nicht nur die Retina oder die Nieren erleiden Schädigungen. Ebenso steigt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen in den Füssen, zumal mit der Zeit auch grössere Blutgefässe angegriffen werden. Nicht selten erkennt man Diabetes bei Betroffenen erst, wenn es zu einem Infarkt kommt.
Diabetische Retinopathie
Die Zuckerkrankheit wird oft auch erst dann entdeckt, wenn die Sehkraft aufgrund einer längeren Netzhautschädigung plötzlich massiv nachlässt. Die diabetische Retinopathie tritt sowohl bei Typ 1 wie bei Typ 2 auf: Die lichtempfindlichen Zellen in der Retina, die Fotorezeptoren, welche die ins Auge fallenden Lichtstrahlen in Nerven-Impulse umwandeln, erhalten wegen der geschädigten Kapillaren immer weniger Sauerstoff und Nährstoffe. Sie beginnen zu degenerieren und sterben allmählich ab.
Ausserdem besteht die Gefahr, dass die geschädigten Retinakapillaren undicht werden. Das gilt ganz besonders für die Gefässe, die sich im Auge neu bilden, um den Mangelzustand an Sauerstoff auszugleichen. Diese Kapillaren haben schwache Wände, die rasch Risse entwickeln, und das austretende Blut schädigt die Netzhaut zusätzlich.
Vor allem in den ersten Erkrankungsjahren schreitet dieser Prozess nur langsam voran. Die Betroffenen bemerken ihre diabetische Retinopathie längere Zeit nicht, zumal das Gehirn geringe Sehbeeinträchtigungen ausgleicht. Im späteren Verlauf allerdings nimmt die Sehfähigkeit merklich ab, was sich häufig in akuten Symptomen äussert.
Plötzliche Sehstörungen
Typisch sind plötzliche Sehstörungen. Die Betroffenen können zum Beispiel kaum noch lesen, vor allem wenn die Makula betroffen ist, also der zentrale Teil der Retina, wo das scharfe Sehen entsteht. Daher wirken die Buchstaben verschwommen, und auch die Farben haben eine andere Tönung. Bekommt eine Netzhautkapillare Risse, was Einblutungen in der Retina zur Folge hat, nimmt man plötzlich dunkle Flecken im Sichtfeld wahr.
Gelangen Bluttröpfchen in den Glaskörper des Auges, sehen die Betroffenen vorbeifliessende schwarze Punkte, was «Russregen» genannt wird. In fortgeschrittenem Stadium kann die diabetische Retinopathie auch eine Ablösung der Netzhaut bewirken: Man sieht Lichtblitze und dunkle Schatten. Spätestens dann ist schnelles Handeln gefragt, weil es sich um einen Notfall mit akuten Erblindungsrisiko handelt.
Bluttests lohnen sich
Eine Diabeteserkrankung weist ein mehrfaches Risiko auf. Zum einen können wichtige Organe wie die Augen, Nieren oder das Nervensystem Schaden erleiden. Dies umso mehr, als die Zuckerkrankheit lange Zeit unbemerkt voranschreiten kann – das ist der andere negative Umstand.
Drittens können im schlimmsten Fall Betroffene erblinden, den Fuss oder das Bein verlieren, durch Schlaganfälle zum Pflegefall werden oder sogar versterben. Umso mehr zählt die Prävention: Regelmässige Bluttests lohnen sich.
Von Nutzen sind auch die rechtzeitige Erkennung und Berücksichtigung begleitender Risikofaktoren, die nicht nur für die diabetische Retinopathie gelten. Dazu gehören hoher Blutdruck, Nikotin- und Alkoholkonsum, erhöhte Cholesterinwerte sowie nichtdiabetische Nierenerkrankungen.
Und nicht zuletzt spielen auch scheinbar banale Dinge eine entscheidende Rolle: eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie genügend körperliche Bewegung.
Benutzte Quellen und weiterführende Informationen:
- netdoktor.ch/krankheiten/diabetes-mellitus/diabetische-retinopathie/
- msdmanuals.com/de/heim/kurzinformationen-augenkrankheiten/erkrankungen-der-netzhaut/diabetische-retinopathie?query=diabetische%20retinopathie
- ratgeber-makula.de/erkrankungen/diabetisches-makulaoedem
- usz.ch/krankheit/diabetes/
- diabetes-news.de/nachrichten/fettverteilung-entscheidend-fuer-diabetesrisiko