Testpersonen mit feuchter AMD haben in Deutschland erstmals eine Mini-Kapsel mit der Bezeichnung «Port-Delivery-System» ins Auge eingesetzt bekommen. Dieses kleine Gerät sondert Medikamente direkt ins Augeninnere ab, sodass Spritzen nicht mehr nötig sind.
(PJ) Bei der Behandlung der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (feuchte AMD) hat man in Deutschland offenbar neue Massstäbe gesetzt. An der Universitätsaugenklinik der deutschen Stadt Bonn ist im Dezember 2024 einer Reihe von Testpersonen erstmals das sogenannte «Port-Delivery-System» ins Auge eingepflanzt worden.
Augenchirurgen plazierten das Implantat in der Sklera, also der weissen Aussenhülle des Auges. Das Mini-Kapsel hat ungefähr die Grösse eines Reiskorns und wird von der dünnen, durchsichtigen Bindehaut des Auges bedeckt. Ausserdem ist es für andere in der Regel nicht sichtbar, da es vom Oberlid verdeckt wird.
Dieses neuartige Gerät, dessen Entwicklung um das Jahr 2020 abgeschlossen wurde, sondert ein Medikament gegen die feuchte Form der AMD ins Augeninnere ab. Es gewährleistet eine konstante Wirksamkeit über eine längere Zeit hinweg.
Neue internationale Studie gestartet
Die Implantierungen des Port-Delivery-Systems an der Bonner Universitätsaugenklinik sind im Rahmen einer internationalen klinischen Studie erfolgt, die letztes Jahr gestartet wurde. Diese soll in etwa 16 Ländern rund um den Globus durchgeführt werden und drei Jahre dauern.
In der Schweiz ist laut dem nationalen Online-Portal BASEC (Business Administration System for Ethics Committees) geplant, etwa 20 Personen in insgesamt fünf Studienzentren in die Studie einschliessen zu können. Weltweit sollen voraussichtlich rund 450 Personen in 120 Zentren an der klinischen Studie teilnehmen.
Bis zum Start dieser neuen klinischen Studie bezogen sich alle Erkenntnisse zur praktischen Anwendung des Port-Delivery-Systems auf die sogenannte “Archway-Studie”. Hierbei handelt es sich um eine offene Phase-III-Studie, an welcher sich in den USA über 400 Patientinnen und Patienten mit feuchter AMD bis zum Jahr 2022 beteiligten.
Spritzen sind invasiv und belasten mehr
Die Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn zähle zu den wenigen Zentren in Deutschland, an denen das innovative Verfahren des Port-Delivery-Systems Anwendung finde und Patientinnen und Patienten im Rahmen der Studie angeboten werden könne, wird Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der Augenklinik, in einer Medienmitteilung des Klinikums zitiert.
Der Vorteil des Port-Delivery-Systems liegt auf der Hand. An sich ist die feuchte oder neovaskuläre Form der AMD seit geraumer Zeit mit Augeninjektionen, die das Medikament Ranibizumab enthalten, gut behandelbar. Jedoch stellt das Spritzen in die Augen eine deutlich invasive Behandlungsart dar und ist somit belastender.
Ranibizumab ist ein Hemmer des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) – einer Substanz, die das Wachstum und die Durchlässigkeit von Blutgefässen reguliert. VEGF spielt im Kontext der feuchten AMD eine entscheidende Rolle bei der Bildung neuer Gefässe im Auge, deren Wände oft zu wenig stabil und damit durchlässig sind. Dies führt dann zu Schädigungen der Netzhaut.
Implantat kann nachgefüllt werden
Die Ranibizumab-Injektionen ins Auge müssen häufig, d.h. etwa alle vier bis sechs Wochen, und oftmals über viele Jahre hinweg zum Einsatz kommen. Das wird zu einer hohen Belastung für die Patientinnen und Patienten, zumal sich potenzielle Risiken wie Infektionen, Eintzündungen, eine Netzhautablösung oder Unverträglichkeitsreaktionen verstärken können. Daher stellt das Port-Delivery-System die wohl deutlich schonendere Variante der Verabreichung dar – weil es eben Spritzen überflüssig macht.
Zudem gibt es noch einen weiteren Vorteil: Das kleine, dauerhaft eingesetzte Implantat müsse erst nach sechs bis neun Monaten im Rahmen eines kleinen Eingriffs nachgefüllt werden, was im Vergleich zu den Spritzen ein grosser Zeitabstand sei, wird seitens der Bonner Augenklinik festgehalten. Dies könne die Belastung nicht nur für die Patientinnen und Patienten wesentlich reduzieren – sondern auch für das Gesundheitssystem selbst.
Quellen:
Medienmitteilung Universitätsklinikum Bonn
Ophthalmologisches Newsportal eyefox.com
Weiterführende Informationen:
Anti-VEGF-Langzeittherapie der neovaskulären AMD mit dem Port-Delivery-System