Eine internationale Studie untersucht die Wirksamkeit eines Augenimplantats bei Testpersonen mit feuchter AMD. Es handelt sich um eine Art Minikapsel, die Medikamente direkt ins Augeninnere absondern kann. An der Studie sind auch ophthalmologische Zentren in der Schweiz und Deutschland beteiligt.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch
Ist der Stoffwechselvorgang in der Netzhaut gestört, entstehen dort Ablagerungen von Abfallprodukten dieses Prozesses – und das kann die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) auslösen. Die Folge ist eine fortschreitende Einschränkung des scharfen Sehens in der Mitte des Gesichtsfeldes. In einer gewissen Anzahl von Fällen geht die anfängliche «trockene» AMD-Phase in die «feuchte» bzw. «neovaskuläre» Variante über, die sich durch schädliche Gefässneubildungen in der Netzhaut charakterisiert.
Nun ist zwar die feuchte AMD mit Augeninjektionen, die entsprechende Medikamente wie z.B. Ranibizumab enthalten, seit bald zwanzig Jahren gut behandelbar. Jedoch stellt das Spritzen in die Augen eine deutlich invasive Behandlungsart dar und ist somit mit Risiken behaftet.
Die Injektionen müssen häufig, d.h. etwa alle vier bis sechs Wochen, und oftmals über viele Jahre hinweg zum Einsatz kommen. Das wird zu einer hohen Belastung für die Patient*innen sowie für deren Angehörige, zumal sich potenzielle Risiken wie Infektionen, Entzündungen, eine Netzhautablösung oder Unverträglichkeitsreaktionen verstärken können.
Die ins Auge injizierten Medikamente sind ein Hemmer des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) – einer Substanz, die das Wachstum und die Durchlässigkeit von Blutgefässen reguliert. VEGF spielt im Kontext der feuchten AMD eine entscheidende Rolle bei der Bildung neuer Gefässe im Auge, deren Wände oft zu wenig stabil und damit durchlässig sind. Dies führt dann zu Schädigungen der Netzhaut.
Das «Port-Delivery-System»
Um die Belastung durch die Spritzen zu reduzieren, ist vor einigen Jahren das sogenannte Port-Delivery-System konstruiert worden, eine Art Minikapsel. Diese wird in die Sklera, also in die weisse Aussenhülle des Auges, eingesetzt und kann die Medikamente direkt ins Augeninnere absondern.
Das Port-Delivery-System gewährleistet eine Wirksamkeit über längere Zeit hinweg, sodass eine Spritze eigentlich nur noch dann notwendig wird, wenn das Implantat aufgefüllt werden muss. Ein solcher «Refill»-Eingriff erfolgt erst nach sechs bis neun Monaten, was im Vergleich zu den normalen Spritzen ein grosser Zeitabstand ist. Dies kann die Belastung nicht nur für die Patientinnen und Patienten wesentlich reduzieren, sondern auch für das Gesundheitssystem.
Die Minikapsel hat ungefähr die Grösse eines Reiskorns und wird von der dünnen, durchsichtigen Bindehaut des Auges bedeckt. Ausserdem ist sie für andere Personen in der Regel nicht sichtbar, da sie vom Oberlid verdeckt wird.
In den USA bereits zugelassen und vermarktet
Die ersten Erkenntnisse zur praktischen Anwendung des Port-Delivery-Systems bezogen sich auf die sogenannte «Archway-Studie»: Es handelt sich um eine offene Phase-3-Studie, an welcher in den USA über 400 Patientinnen und Patienten mit feuchter AMD bis zum Jahr 2021 teilnahmen.
Das Port-Delivery-System wurde von der zu Roche-Gruppe gehörenden Firma Genentech entwickelt und in den Vereinigten Staaten Ende Oktober 2021 unter dem Markennamen „Susvimo“ zugelassen. Nach einem vorübergehenden weltweiten Rückruf im Jahr 2022 aufgrund eines nicht optimalen Nachfüllsystems wird dieses Produkt in den USA regelmässig eingesetzt und vermarktet.
Erste Implantation in Europa fand am Stadtspital Zürich statt
Im Jahr 2021 hat Roche eine weitere, internationale Phase-3-Studie gestartet. Das Ziel ist es, noch mehr Erkenntnisse über die Wirksamkeit, Sicherheit und die sogenannte Pharmakokinetik des Port-Delivery-Systems zu gewinnen, um möglichst weltweit die Zulassung zu erhalten.
Es handelt sich um die internationale Studie «Velodrome», die auch in Europa stattfindet. In deren Rahmen hatte man in der Schweiz bereits Ende November 2021 – und erstmals in ganz Europa – die Implantation eines Port-Delivery-Systems durchgeführt. Die Operation fand am Stadtspital Zürich-Triemli unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Becker statt. Seither habe man in Zürich erfolgreich sieben Personen ein Port-Delivery-System eingesetzt, erklärt der Chefarzt der Augenklinik Triemli.
Die Velodrome-Studie wird an fünf verschiedenen Studienzentren in der Schweiz durchgeführt, neben Zürich auch am Inselspital Bern, am Augenspital Jules-Gonin in Lausanne, am Universitätsspital Basel sowie in der Vista Augenklinik Binningen. Es sollen ungefähr 20 von feuchter AMD betroffene Personen an der Velodrome-Studie in der Schweiz beteiligt sein, wie dem nationalen Online-Portal BASEC (Business Administration System for Ethics Committees) zu entnehmen ist.
Warten auf das «CE»-Gütesiegel
Auf internationaler Ebene nehmen laut BASEC rund 450 Personen in 16 Ländern an der Studie teil. Was Deutschland betrifft, hat man an der Universitätsaugenklinik Bonn letzten Dezember gleich einer ganzen Reihe von Testpersonen eine Minikapsel ins Auge eingesetzt. Die Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn zähle zu den wenigen Zentren in Deutschland, an denen das innovative Verfahren des Port-Delivery-Systems Anwendung finde und Patientinnen und Patienten im Rahmen der Studie angeboten werden könne, wird Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der Augenklinik, in einer Medienmitteilung des Klinikums zitiert. Kurz zuvor hatte eine Testperson in München die Minikapsel erhalten.
In den EU-Mitgliedstaaten wie auch in der Schweiz warten die Ärzteschaft und die Betroffenen darauf, dass das Port-Delivery-System die «CE»-Kennzeichnung erhält. Mit diesem Prädikat beurteilt die Europäische Union Produkte verschiedenster Art als sicher, und dies erfolgt unabhängig von der European Medicines Agency (EMA). Wann das Port-Delivery-System das CE-Gütesiegel erhält, bleibt allerdings ungewiss.
Podcast auf Deutsch zum Port-Delivery-System mit PD Dr. med. Raffael G. Liegl
Quellen:
Velodrome-Studie Schweiz; Forschungszentrum Augenklinik Zürich-Triemli; National American Library of Medicine; Euretina-Congress 2022; Medienmitteilung Roche; Swiss Academy of Ophthalology; Medienmitteilung Universitätsklinikum Bonn; Ophthalmologisches Newsportal eyefox.com; Kompass Ophthalmologie; Anti-VEGF-Langzeittherapie der neovaskulären AMD mit dem Port-Delivery-System; American Academy of Ophthalmology