Morbus Stargardt: Gene «editieren», um das Augenlicht zu erhalten

Forschende am Institut für molekulare und klinische Ophthalmologie Basel haben eine neuartige gentechnologische Therapie entwickelt. Dank dieser könnte möglicherweise die Stargardt’sche Erkrankung, eine häufige Form der erblichen Makuladegenerationen, behandelbar werden.

(PJ) Die Stargardt’sche Erkrankung, auch Morbus Stargardt geannt, hat folgende Charakteristik: Im Verlauf dieser Netzhautkrankheit kommt es zum Verlust des zentralen Sehens, während das seitliche Sehvermögen erhalten bleibt. Stargardt ist die am häufigsten vorkommende Form unter den juvenilen Makuladegenerationen und wird meist im Alter zwischen zehn und zwanzig Jahren diagnostiziert. In Europa ist eine von 6500 Personen von dieser Erkrankung betroffen. Eine wirksame Behandlung gibt es derzeit keine.

Dies könnte sich in absehbarer Zeit vielleicht ändern, wie Anfang Januar bekannt wurde. Ein Team vom Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel (IOB) hat unter der Leitung der Professoren Bence György und Botond Roska eine neuartige Therapie im Rahmen des sogenannten «Gen-Editings» bzw. «Genom-Editings» konzipiert.

Bei dem Begriff handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für hochinnovative molekularbiologische Verfahren. Mit diesen lassen sich viel präzisere Eingriffe in die Erbsubstanz als mit der herkömmlichen Gentechnik bewerkstelligen: Es werden gezielte Veränderungen in ganz bestimmten Abschnitten der DNA möglich. Einzelne Gene können nun also an- oder ausgeschaltet, eingefügt oder entfernt werden.

Klinischer Nutzen scheint klar

In Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Forschungseinrichtung Beam Therapeutics setzte das IOB-Team eine Gen-Editierungs-Technologie namens Base Editing ein. Diese half bei der Entwicklung eines hoch optimierten Adenin-Base-Editors: Hierbei handelt es sich um ein gentechnisches Werkzeug, das durch adeno-assoziierte virale Vektoren (AAVs) in Sehzellen transportiert wird und das die häufigste genetische Mutation bei Morbus Stargardt korrigieren soll.

«Unser Ansatz erzielte bemerkenswert hohe Raten der Genkorrektur», wird Prof. György in einer Mitteilung des IOB zitiert. Sein Team habe Editierungsraten von etwa 75 Prozent in Zapfenzellen und 87 Prozent in retinalen Pigmentepithelzellen festgestellt. Diese Ergebnisse gehen laut György weit über das hinaus, was nach gängiger Ansicht notwendig ist, um Patientinnen und Patienten einen klinischen Nutzen zu bieten.

Wirksamkeit in menschlichen Gewebeproben nachgewiesen

Prof. David Bryson von Beam Therapeutics hält seinerseits fest: Es sei entscheidend, dass das Forschungsteam die Wirksamkeit der Editing-Technik in mehreren Modellen, einschliesslich in menschlichem Gewebe, nachgewiesen habe. Gemäss Brysons Worten ist der Nachweis in menschlichen Netzhautorganoiden, aus Stammzellen gewonnenen retinalen Pigmentepithelzellen, menschlichen Netzhäuten sowie in menschlichen retinalen Pigmentepithelzellen gelungen.

Dieser umfassende technologische Ansatz liefert in Brysons Augen deutliche Belege für die potenzielle Übertragbarkeit der Behandlung auf die Patientinnen und Patienten selber. Man sei zuversichtlich, dass sich dieses Mass an Wirksamkeit in relevanten Modellen und bei klinisch relevanten Dosen beobachten lassen werde, meint der US-Forscher.

Dr. Alissa Muller, die Erstautorin der betreffenden Studie zum Adenin-Base-Editor, die in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» erschienen ist, betont: Das Forschungsteam habe umfangreiche Analysen durchgeführt und keine Hinweise auf unbeabsichtigte Editings in der Netzhaut oder anderen Körperteilen gefunden. Dies sei entscheidend für die Entwicklung einer wirksamen und sicheren Therapie.

Behandlung weiterer erblicher Netzhauterkrankungen?

Der vorliegende Base-Editing-Ansatz könnte nun vielleicht modifiziert werden. Dies überlegt sich das IOB-Forschungsteam im Hinblick auf die Möglichkeit, auch andere erbliche Netzhauterkrankungen, die durch ähnliche Mutationsarten verursacht werden, zu behandeln.

Auf jeden Fall stellen die bisherigen Ergebnisse laut IOB-Mitteilung einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet der okulären Gentherapie dar. Die nächsten Schritte werden vermutlich weitere Sicherheitsstudien und anschliessend Vorbereitungen für klinische Studien umfassen.

«Diese Arbeit veranschaulicht ein Hauptziel des IOB: die Verbindung unseres Tiefen-Verständnisses von der Netzhautbiologie mit bahnbrechenden Technologien zur Entwicklung neuartiger Therapien gegen Sehverlust», fasst Prof. Roska zusammen.

Quellen:

Informationen zur Stargardt’schen Erkrankung

Mitteilung des IOB (auf Englisch)

Fachartikel in Nature Medicine

Videobeitrag zum Thema

Transgen.de