Kontaktlinsen tragen kann riskant sein

Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung trägt Kontaktlinsen. Die meisten tun dies aus ästhetischen Gründen. Gleichzeitig denken sie kaum daran, dass so die Gefahr einer Augeninfektion steigt. Im schlimmsten Fall ist sogar das Augenlicht bedroht.

Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch;

Der allergrösste Teil der Wohnbevölkerung in der Schweiz braucht eine Sehhilfe. Dies hat eine grossangelegte Umfrage von Optik Schweiz, dem Fachverband für Optometrie und Optik, im Jahr 2021 festgestellt. Genauer gesagt, tragen vier von fünf Schweizerinnen und Schweizern zwischen 16 und 74 Jahre eine Brille oder Kontaktlinsen – das sind 80 Prozent der Bevölkerung. Vor zwanzig Jahren hingegen erklärte noch etwas mehr als die Hälfte der Personen, die damals von Optik Schweiz befragt wurden, ohne Brille auszukommen.

Dieser Zuwachs hat zwei Gründe. Es gibt immer mehr Senior*innen, und diese werden immer älter und benötigen daher vermehrt Sehhilfen. Dazu kommen die Visualisierung und Digitalisierung vieler Arbeitsprozesse wie auch von Tätigkeiten in der Freizeit: Eine geringe Fehlsichtigkeit, die früher kaum auffiel, stört heutzutage massiver, weil man deutlich mehr Zeit vor Bildschirmen und Smartphones verbringt. Daher wird auch eine unscheinbare Sehschwäche schneller und häufiger korrigiert.

Weiter ergab die Umfrage von 2021 einen interessanten Trend: 55 Prozent der befragten Personen tragen ausschliesslich eine Brille, während 25 Prozent Kontaktlinsen aus ästhetischen oder arbeitsbedingten Gründen bevorzugen, aber auch gelegentlich eine Brille aufsetzen. Dank dem Fortschreiten der technischen Möglichkeiten werden die Kontaktlinsen immer komfortabler und erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit.

Übrigens herrscht in Deutschland eine ähnliche Tendenz, wenn auch weniger ausgeprägt. Laut dem Internetportal aerzteblatt.de tragen 67 Prozent der dortigen Bevölkerung eine Sehhilfe. Bis zur Jahrtausendwende bewegte sich diese Zahl lange um die 62 Prozent. In der Schweiz ist also im Vergleich seit dem Jahr 2000 eine deutlich stärkere Zunahme zu verzeichnen.

Risikobehafteter Fremdkörper im Auge

Wer sich in der Schweiz oder in Deutschland Kontaktlinsen zulegt, wird wiederholt auf die richtige Handhabung hingewiesen. Die Linsen sowie deren Behälter sind immer zu desinfizieren, und man soll sie nur mit gewaschenen Händen anfassen.

Das klingt sehr erzieherisch, hat aber einen triftigen Grund: Das Risiko einer Augeninfektion durch Verunreinigung der Linsen ist erhöht. Ausserdem nehmen die Fälle einer Infektion zu. Dies nicht nur wegen der Bevölkerungszunahme, sondern auch wegen der Klimaerwärmung, welche die Übertragung von Krankheitserregern begünstigt. Doch was sind die genauen Zusammenhänge?

«Kontaktlinsen stellen immer einen risikobehafteten Fremdkörper im Auge dar», erklärt Professor Dr. med. Gerd Geerling von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Experte für Augeninfektionen. Gemäss seinen Worten leben auf jeder gesunden Augenoberfläche Infektionserreger wie Bakterien und Viren. Ein intakter Tränenfilm und ein dichter Zellverband der Hornhaut halten die Keime jedoch vom Eindringen ins Auge ab.

Genau auf dieser schützenden Schicht kommen die Kontaktlinsen zu liegen. Damit verändern sie die Sauerstoffversorgung und Befeuchtung der Augenoberfläche mit Tränenfilm und können ganz geringe Schäden an der Hornhaut verursachen. In der Regel würden diese Verletzungen zwar ohne Weiteres verheilen, so Geerling. Sie könnten aber auch Schmerzen auslösen und die Eintrittspforte für Infektionserreger sein.

Vor allem bei Träger*innen weicher Kontaktlinsen finden sich neben regulären Bakterien auch seltenere Infektionserreger wie Pilze oder Amöben. Laut Geerling kommen diese Erreger – vermutlich auch bedingt durch klimatische Änderungen in unseren Breiten – heutzutage aber immer häufiger vor und können zum Teil sehr schwere Infektionserkrankungen der Hornhaut und des Augeninneren auslösen. Diese erfordern dann eine monatelange Behandlung mit Augentropfen und Tabletten. «Bei besonders schweren Verläufen kann eine Hornhauttransplantation oder im schlimmsten Fall sogar die Entfernung eines Auges notwendig werden», warnt der Experte.

Linsenbehälter als «Bakterienfalle»

Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten für eine Augeninfektion im Zusammenhang mit Kontaktlinsen. Zum einen können die Linsen eine mechanische Reizung der Hornhaut bewirken, was den bereits auf der Augenoberfläche vorhandenen Erregern ein Eindringen ermöglicht – oder mit Krankheitskeimen behaftete Finger kommen in Kontakt mit der Linse, die dann auf die leicht verletzte Hornhaut aufgesetzt wird.

Ausserdem kann es auch geschehen, dass die Linsenbehälter durch unsachgemässe Handhabung verunreinigt werden und dann die Kontaktlinsen mit Krankheitserregern beschmutzen. «Die Keime können im Linsenbehälter einen Biofilm bilden, eine Art vom Erreger selbst hergestellten Schleim, eine richtige Bakterienfalle», sagt Experte Geerling. Und schliesslich sammeln sich an den Kontaktlinsen selbst mit der Zeit Schmutz und Keime an, wenn sie nicht ständig gereinigt werden.

Daher sollten sich Kontaktlinsenträger*innen strikt an die Pflegevorschriften der Linsenhersteller halten:

  • Bevor man mit den Kontaktlinsen in Berührung kommt, stets die Hände waschen.
  • Die tägliche Desinfektion der Linsen mit der vorgeschriebenen Reinigungs- und Aufbewahrungsflüssigkeit ist sehr wichtig.
  • Geraten wird auch zur manuellen Reinigung. Man legt die Kontaktlinsen auf die gereinigte Handinnenfläche und verreibt einige Tropfen Reinigungsmittel sanft mit der Fingerspitze auf der Linse. Danach werden die Linsen mit Kochsalzlösung abgespült.
  • Ist eine Kontaktlinse beschädigt oder deutlich verschmutzt, muss man sie sofort entsorgen.
  • Niemals mit Leitungswasser reinigen – weder Behälter noch Kontaktlinsen. Leitungswasser ist nicht steril, es enthält Mikroorganismen, Metallpartikel, Chlor und andere Stoffe. Wer Kontaktlinsen mit Leitungswasser reinigt oder sie darin aufbewahrt, riskiert, dass sich Keime an der Linse festsetzen.
  • Am besten ist es, den Linsenbehälter mit der Desinfektionslösung auszuspülen und an der Luft trocknen zu lassen. Nach drei Monaten sollte das Gefäss gegen ein neues ausgetauscht werden.
  • Sogar bei Tageslinsen, die täglich weggeworfen und neu eingesetzt werden, ist die Infektionsgefahr erhöht. Das gilt vor allem dann, wenn sie länger als empfohlen getragen werden, zum Beispiel auch die ganze Nach hindurch.
  • Zeigen sich allergische Reaktionen, Beschwerden wie Sehminderung, Sekretabsonderung, Rötung oder Schmerzen, sind schnell der Augenarzt oder die Augenärztin zu konsultieren. Sie entscheiden, ob die Linsen weiterhin getragen werden können.

Bindehautentzündung als häufigste Augeninfektion

Wie bereits erklärt, können ungewaschene Hände oder verunreinigte Kontaktlinsen bei direkter Berührung des Auges zu Infektionen führen. Aus den Online-Beschreibungen grosser Schweizer Augenpraxen, ophthalmologischer Kliniken sowie des medizinischen Infoportals MDS Manual geht dabei klar hervor: In der Mehrzahl der Fälle sind Viren die Auslöser, und zwar meist von einer Bindehautentzündung bzw. Konjunktivitis. Diese zählt zu den häufigsten Augenentzündungen. Bei Kontaktlinsenträgern ist das Risiko einer Bindehautentzündung erhöht, denn Ablagerungen auf der Linsenoberfläche reizen die Bindehaut mechanisch.

Insbesondere die Gruppe der Adenoviren verursacht eine hoch ansteckende Bindehautentzündung – die sogenannte Augengrippe. Die Adenoviren können zu einer regelrechten Ausbruchswelle führen. Auch Masernviren verursachen neben vielen anderen Beschwerden häufig begleitende Bindehautentzündungen. Ist die Bindehautentzündung viral, können nur die Krankheitszeichen behandelt werden. Ein wirksames Mittel gezielt gegen die Viren gibt es bekanntlich nicht.

Auch Bakterien können zu einer Konjunktivitis führen. Befallen Staphylokokken oder Streptokokken das Auge, sondert dieses nach einiger Zeit eitrigen, gelblichen Schleim ab. Meist betrifft es beide Augen – auch eine bakterielle Konjunktivitis ist hochansteckend. Zum Schutz vor dieser Komplikation verschreiben Augenärzt*innen häufig vorsorglich antibiotische Tropfen oder Salben. Denn Infektionen, die durch Bakterien ausgelöst werden, können mit Antibiotika behandelt werden.

Nicht die Augen reiben

Bei viralen und bakteriellen Infektionen kommt es zu einem Fremdkörpergefühl sowie zu Rötungen und Juckreiz. Ausserdem kann das Auge geschwollen sein und ungewöhnliche Flüssigkeit absondern. Wer dem Juckreiz nachgibt und mit den Händen die Augen reibt, erhöht Gefahr einer Infektion zusätzlich.

Auch bei trockenen Augen erhöht sich das Infektionsrisiko, weil die Kontaktlinsen nicht mehr auf dem Tränenfilm schwimmen können. Sie reizen so die empfindliche Bindehaut durch mechanische Reibung und machen sie für Erreger empfänglicher.

In diesen Fällen muss man auf das Tragen von Kontaktlinsen verzichten und auf eine Brille umsteigen. Nach dem erfolgreichen Auskurieren einer Bindehautentzündung sind die getragenen Kontaktlinsen auf jeden Fall wegzuwerfen. Denn trotz Reinigung ist nicht auszuschliessen ist, dass sich ansteckende Viren oder Bakterien noch auf den Linsen befinden. Andernfalls riskiert man eine erneute Konjunktivitis.

Eine Hornhautentzündung ist besonders riskant

Kontaktlinsenträger*innen haben auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Hornhautentzündung bzw. Keratitis. Diese ist gefährlicher als die Bindehautentzündung, da bei einer unbehandelten Keratitis innerhalb kurzer Zeit bleibende Augenschäden zu befürchten sind. Schon kleinste Verletzungen oder Defekte der Hornhaut-Deckschicht können das Eindringen von Keimen begünstigen – zu solchen Schäden kommt es unter anderem beim Einsetzen oder Abnehmen von Kontaktlinsen.

Hornhautverletzungen sind besonders schmerzhaft, weil bei einer Läsion der Deckschicht viele Nervenfasern freiliegen. Die Hornhaut kann sich trüben, was zu einer verminderten Sehschärfe führt, und das betroffene Auge wird zunehmend rot.

Erfolgt keine rasche Behandlung, können sich die vermehrenden Keime in tiefere Schichten des Auges eindringen. Dann besteht die Gefahr einer irreversiblen Narbenbildung und Trübung der Hornhaut. Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Hornhautgeschwür, und auch das gesamte Augeninnere kann sich entzünden. Als Notfall erweist sich vor allem eine bakterielle Hornhautentzündung, die eine intensive antibiotische Behandlung sowie engmaschige augenärztliche Kontrollen erfordert.

Pilzinfektionen sind selten, aber potenziell sehr gefährlich

Laut DOG-Experte Geerling verursachen auch Pilze wie Candida und Aspergillus eine Infektion der Hornhaut. Diese sogenannte Pilzkeratitis erfordern eine langwierige Behandlung und kann bei einem Versagen der Therapie sogar in einer operativen Entfernung des Augapfels enden. Laut dem deutschen Pilz-Keratitis-Register wird die Hälfte der betroffenen Patient*innen hornhaut-transplantationspflichtig, und zehn Prozent verlieren ihr Auge.

Die Häufigkeit pilzbedingter Augeninfektionen ist in Europa relativ gering. In tropischen und subtropischen Regionen tritt diese Art von Augeninfektion jedoch häufig auf, weil das dortige Klima generell das Wachstum von Pilzen fördert. In solchen Gebieten kann die Inzidenz von Pilzkeratitis auf 40 Prozent aller infektiösen Hornhautinfektionen ansteigen. Global betrachtet ist die Häufigkeit jedoch viel geringer, da die meisten Menschen in gemässigten Klimazonen leben.

Vorsicht vor Amöben beim Schwimmen

Im Gegensatz zu den Pilzen kommt in gemässigten Klimazonen eine bestimmte Amöbenart, die Akanthamöbe, häufig vor. Es handelt such um einen winzigen Parasiten, der praktisch überall in der Natur gedeihen kann – im Boden wie im Wasser, ob frisch oder verschmutzt.

Daher raten Experten vom Schwimmen mit Kontaktlinsen in natürlichen Gewässern dringend ab. «Nisten sich Akanthamöben in der Hornhaut ein, können sie eine schwerwiegende, hartnäckige Entzündung hervorrufen, die sogenannte Akanthamöben-Keratitis», erklärt Professor Dr. med. Björn Bachmann vom Zentrum für Augenheilkunde an der Kölner Universität.

Ungefähr 90 Prozent aller Menschen, die an einer Akanthamöben-Keratitis erkranken, tragen weiche Kontaktlinsen. «Die Akanthamöben-Hornhautentzündung ist überhaupt erst in Erscheinung getreten, seit es Kontaktlinsen gibt», sagt Bachmann weiter. Denn weiche Kontaktlinsen würden die Sauerstoffversorgung der Hornhaut verschlechtern, sie anfälliger für winzige Verletzungen an der Oberfläche machen und somit Eintrittstore für die Amöben schaffen. Deshalb sollte man laut Bachmann beim Schwimmen keine Kontaktlinsen tragen. Wer es dennoch tut, sollte nicht untertauchen und vor allem nicht die Augen unter Wasser öffnen, falls er oder sie keine Taucherbrille trägt.

Eine häufige Infektionsquelle, aus der die Akanthamöben stammen, ist aber nicht nur abgestandenes Wasser in schlecht gereinigten Pools und ungenügend gechlorten Freibädern. Die Amöben tummeln sich mitunter sogar im Leitungswasser, das viele für die Kontaktlinsenreinigung benutzen. Hauptursache für eine Akanthamöben-Keratitis sei die fehlerhafte Reinigung der Haftschalen, so Bachmann. «Deshalb sollte man für die Reinigung kein Leitungswasser verwenden, regelmässig die Linsenbehälter wechseln und die Aufbewahrungsflüssigkeit nach den Angaben des Herstellers anwenden und erneuern.»

Therapie gegen Amöben kann Monate dauern

Bei einer Infektion mit Akanthamöben macht sich die Erkrankung mit Schmerzen, verschlechtertem Sehvermögen und Rötung der Augen bemerkbar. Die Schmerzen können zum Teil auffällig stark sein, und die Betroffenen sind deutlich blendungsempfindlich. Schon relativ kurz nach dem Eindringen der Amöben zeigt sich eine entzündliche, mitunter auch ringförmige Trübung in der Hornhaut. Der direkte Nachweis der Erreger ist jedoch schwierig, weshalb es häufig zu Fehldiagnosen kommt. «Oft wird die Akanthamöben-Keratitis mit einer Herpesvirus-Infektion verwechselt», erklärt Ophthalmologe Bachmann.

Wer Kontaktlinsen trägt und innerhalb der ersten Woche nach einem Badeausflug starke Augenschmerzen sowie eine Rötung entwickelt, sollte sich sofort in augenärztliche Behandlung begeben. Ist die Hornhaut auffällig, sollte umgehend eine Überweisung in ein Hornhautzentrum erfolgen.

«Antibiotika alleine helfen gegen die Erkrankung nicht», betont Bachmann. Laut seinen Worten bekämpft man die Parasiten auch stark mit desinfizierenden Mitteln, mit sogenannten Antiseptika. Das kann sehr lange dauern und Monate intensiver Therapie erfordern. Zwar ist die Akanthamöben-Keratitis eine vergleichsweise seltene Erkrankung – doch erfordert sie beim Versagen der Therapie nicht selten eine Hornhauttransplantation.

Allergisch auf Kontaktlinsen?

Nun gibt es auch Menschen, die allergisch auf Kontaktlinsen sind. Bei einer Allergie handelt es sich um eine immunologische Reaktion des Körpers auf bestimmte Bestandteile der Kontaktlinsen. Das Immunsystem sieht die Bestandteile als schädlich oder fremd an und reagiert mit einer allergischen Antwort, die Entzündungen verursachen kann.

Diese Reaktion kann sowohl durch das Kontaktlinsenmaterial selbst als auch durch Zusatzstoffe in den Linsen, wie Konservierungsmittel oder Oberflächenbeschichtungen, ausgelöst werden. Sie kann sofort auftreten oder sich erst im Laufe der Zeit entwickeln.

Nebst der Allergie existiert auch die Unverträglichkeit gegenüber Kontaktlinsen. Diese erweist sich als eine nicht-immunologische Reaktion des Körpers auf bestimmte Bestandteile der Kontaktlinsen oder auf die Linsen selbst. Eine Unverträglichkeit führt man auf Empfindlichkeit, chemische Reaktionen oder mechanische Irritationen zurück. Mitunter ist es schwierig, zwischen einer Allergie und einer Unverträglichkeit zu unterscheiden, da sich die Symptome gleichen.

Quellen:

Umfrage Optik Schweiz

Deutsches Ärzteblatt bzw. DOG zu Kontaktlinsen

MSD Manual zu Konjunktivitis

Eyefox zu Keratitis

Eyefox zu Akanthamöben

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