Das Usher-Syndrom haben Menschen, die neben einer angeborenen Schwerhörigkeit auch eine Netzhautdegeneration aufweisen. Nun hat eine niederländische Studie zum Usher-Typ 2a gezeigt, dass schlechter Schlaf eine Begleiterkrankung sein kann. – Ausserdem publizieren wir hier einen Aufruf des Unispitals Zürich zu einer Usher-Studie.
Peter Jankovsky, Kommunikation Retina Suisse, peter.jankovsky@retina.ch
Mit «Usher-Syndrom» ist eine genetisch bedingte Krankheit gemeint, die den Hör- und Sehsinn beeinträchtigt. Die Betroffenen hören schlecht, meistens bereits von Geburt an. Zusätzlich nimmt im Lauf der Zeit auch ihre Sehkraft ab, meist schon im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt. Die betreffende Veränderung der Netzhaut bzw. Retina wird medizinisch als Retinitis pigmentosa (RP) definiert.
Dazu kann eine weitere gesundheitliche Komplikation kommen. Eine Ende 2024 publizierte Fall-Kontroll-Studie des Radboud University Medical Center im niederländischen Nijmegen hatte eine spezielle Zielsetzung: Sie sollte für Schlafproblemene sensibilisieren, und zwar als Begleiterkrankung des Usher-Syndroms vom Typ 2a. Dieser Typ ist auf das Gen USH2A zurückzuführen und fällt punkto Symptomatik dadurch auf, dass das Gleichgewichtsorgan im Innenohr ohne Einschränkungen funktioniert.
Entscheidend ist die «innere Uhr»
An der niederländischen Fall-Kontroll-Studie unter der Leitung von Dr. Jessie M. Hendricks nahmen 15 Patient*innen teil, deren Usher-Typ 2a-Erkrankung durch eine genetische Diagnose bestätigt wurde. Dazu kamen 15 weitere Personen, die nicht betroffen waren.
Beide Gruppen unterzogen sich über einen Zeitraum von zwei Wochen umfassenden Schlaf- und Aktivitätsbewertungen. Dabei kamen der sogenannte MotionWatch 8-Aktigraph und ein konsensbasiertes Schlaftagebuch zum Einsatz. Unterschiedliche Beurteilungskriterien gelangten bei den Untersuchungen zur Anwendung: das Schlafgelegenheitsfenster (wann wird der Körper so müde, dass der Schlaf bald eintreten könnte), die Schlaflatenz (Zeitspanne, die eine Person benötigt, um nach dem Ausschalten des Lichts einzuschlafen, im Durchschnitt 10 bis 20 Minuten), die Schlafeffizienz sowie die selbst berichtete Schlafqualität.
Auch die zirkadiane Rhythmik wurde bewertet. Darunter ist der innere, etwa 24-stündige biologische Prozess zu verstehen, der den Schlaf-Wach-Zyklus, die Körpertemperatur, Hormonausschüttung und andere Körperfunktionen synchronisiert und der durch äussere Faktoren wie Licht und Dunkelheit beeinflusst wird. Die «innere Uhr» im Gehirn, genauer der Hypothalamus, steuert diesen Rhythmus, der entscheidend für das gesunde Funktionieren des Körpers ist.
Die Bewertung erfolgte mittels einer sogenannten nichtparametrischen zirkadianen Rhythmusanalyse. Zusätzlich führte man auch Regressionsanalysen durch, d.h. man wollte mögliche Einflüsse zwischen den Schlafparametern, den demografischen Daten der Patienten und dem Krankheitsverlauf untersuchen.
Worin besteht die geringere Schlafqualität von Usher2a-Betroffenen?
Das Ergebnis der Studie ist folgendes: Patient*innen mit Usher-Syndrom vom Typ 2a wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant längere Schlaflatenz und eine geringere selbst berichtete Schlaf- und Ruhequalität auf. Darüber hinaus war die tägliche Variabilität der Schlafeffizienz und der Schlaflatenz in der Patient*innengruppe signifikant höher.
Die nichtparametrische Analyse des zirkadianen Rhythmus ergab hingegen keine signifikanten Unterschiede in der zirkadianen Rhythmik. Die Regressionsanalysen wiederum zeigten, dass bei Menschen, die vom Typ2a betroffen sind, eine nicht so geringe Wahrscheinlichkeit für Schlafprobleme als Begleiterkrankung vorliegt.
Schlafprobleme sollten als Usher2a-Symptom anerkannt werden
Weiter stellte man keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen dem Grad der Sehbehinderung und den Schlafparametern fest. Dies deutet darauf hin, dass sich die negativen Auswirkungen des Usher-Syndroms vom Typ 2a auf den Schlaf unabhängig von der fortschreitenden Seheinschränkung manifestieren.
Diese Ergebnisse legen Folgendes nahe: Patient*innen mit Usher2a weisen zwar einen intakten zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus auf – jedoch sind sie von Schlafstörungen betroffen, deren Gründe vermutlich über ihre fortschreitende Sehbeeinträchtigung hinausgehen.
Da Schlafprobleme ein Risikofaktor für körperliche und psychische Gesundheitsprobleme sind, plädiert das für die Studie zuständige Forschungsteam dafür, Schlafprobleme als charakteristisches Symptom von Usher2a anzuerkennen. Denn so wäre eine gezielte Forschung nach potenziellen therapeutischen Interventionen gerechtfertigt.
Jedes zehnte Kind mit angeborenem Gehörproblem hat Usher
In der Schweiz leben ungefähr 350 Menschen mit dem Usher-Syndrom. Man schätzt, dass etwa jedes zehnte Kind mit angeborener schwerer Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit das Usher-Syndrom hat. Gentests können hierbei schon früh klären, ob die Hörbehinderung allein auftritt – das ist häufiger der Fall – oder ob in der späteren Entwicklung zusätzlich mit einer Sehbehinderung zu rechnen ist.
Die Ursache für das Usher-Syndrom beruht im Wesentlichen auf einer Veränderung der Zilien, also feiner Zellfortsätze. Zilien gibt es auf fast allen menschlichen Zellen, und sie spielen punkto Aufnahme von Umweltsignalen eine wichtige Rolle. Beim Usher-Syndrom sind die Zilien im Innenohr und in der Netzhaut betroffen (zusammengestellt und redigiert von PJ; Quellen: siehe weiter unten).
Typen der Hörsehbehinderung
Es können viele Gründe zu einer Hörsehbehinderung führen. Neben der genetischen Prädisposition sind mögliche Faktoren Komplikationen bei der Geburt, altersbedingte Veränderungen sowie Unfälle oder Krankheiten, die später im Leben auftreten. Das Usher-Syndrom hat drei Manifestationstypen:
-Typ 1 ist bei Geburt gehörlos, Typ 2 ist bei Geburt hörbehindert – beide Typen entwickeln in der Jugend eine Retinitis pigmentosa (RP).
-Typ 3 kann schon in den Kinderjahren eine progrediente Hörsehbehinderung entwickeln. Wegen dieser frühen Manifestation sollten auf jeden Fall molekulargenetische Abklärungen vorgenommen werden (Hinweise von HS). (November 2025)
AUFRUF ZU USHER
Schlecht hören – und dazu noch schlecht sehen? Ein Aufruf des Unispitals Zürich
Probleme mit der Sehkraft wie auch mit dem Gehör – liegt diese Kombination vor, dann handelt es sich wohl um das sogenannte Usher-Syndrom.
Mit dem Usher-Syndrom ist eine Erbkrankheit gemeint, die den Gehör- und Sehsinn betrifft. Die Betroffenen hören schlecht, meistens bereits von Geburt an – zusätzlich nimmt im Lauf der Zeit auch ihre Sehkraft ab, weil die Netzhaut degeneriert.
In der Schweiz leben vermutlich etwa 350 Personen mit Usher-Syndrom. Man schätzt, dass etwa jedes zehnte Kind mit angeborener schwerer Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit dieses Syndrom hat.
Vielleicht ist auch jemand in Ihrem Umfeld oder Sie selbst davon betroffen? Vielleicht ohne es zweifelsfrei zu wissen?
In diesem Zusammenhang will die Augenklinik des Universitätsspitals Zürich unter Leitung von Prof. Christina Gerth-Kahlert mehr über die Verbreitung und die genetischen Grundlagen des Usher-Syndroms in der Schweiz erfahren.
Daher erfolgt der Aufruf, an einer entsprechenden Studie des Zürcher Unispitals teilzunehmen.. Willkommen sind alle Menschen mit einer klinisch oder genetisch bestätigten Diagnose des Usher-Syndroms. Es ist keine Untersuchung notwendig, die vorhandenen Befunde werden zusammengefasst.
Mehr Informationen zur Studie entnehmen Sie hier dem Flyer.
Quellen zum Artikel Usher-Syndrom und Schlaf:
Actigraphy-based assessment of circadian rhythmicity and sleep in patients with Usher syndrome type 2a: A case-control study. 24. J Sleep Res. 2025 Aug;34(4):e14456. doi: 10.1111/jsr.14456. Epub 2024 Dec 30.; Retina Suisse – Usher; Orpha.net – Usher, Ziliopathie; Eurofins Clinical Diagnostics;

