Usher-Syndrom

Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus unserer Informationsbroschüre «Das Usher-Syndrom».

  • Alter Hörbehinderung: ab Geburt oder im Kindesalter; Sehbehinderung: Je nach Typ im Kindes- bis Jugendalter
  • Symptome Blendungsempfindlichkeit, Nachtblindheit, Peripherer Gesichtsfeldausfall, Farbstörung, Schlechtes Kontrastsehen, Schlechte Sehschärfe
  • Vererbung Autosomal-rezessiv
  • Häufigkeit ca. eine von 25'000 bis eine von 6'000 Personen

Das Usher-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die Gehör- und Sehsinn betrifft. Die Betroffenen hören schlecht, meistens bereits von Geburt an. Zusätzlich nimmt im Lauf der Zeit auch ihre Sehkraft ab.

Die Ursache für das Usher-Syndrom beruht im Wesentlichen auf einer Veränderung der Zilien (feine Zellfortsätze). Zilien gibt es auf fast allen menschlichen Zellen. Sie spielen bei der Aufnahme von Umweltsignalen eine wichtige Rolle. Beim Usher-Syndrom sind die Zilien im Innenohr und in der Netzhaut betroffen.1

Die Veränderung der Netzhaut (Retina) bezeichnen Ärzte als Retinitis pigmentosa (RP). In Verbindung mit dem Hörverlust (Schwerhörigkeit bis Taubheit) spricht man vom Usher-Syndrom.

Seinen Namen erhielt das Usher-Syndrom vom britischen Augenarzt und Genetiker Charles Howard Usher. 1914 beschrieb er Erkrankungen, bei denen er einen Zusammenhang zwischen angeborener Hörbehinderung und Retinitis pigmentosa (RP) beobachtete. Mehr als 50 Jahre früher hatten die Augenärzte Albrecht von Graefe und Richard Liebreich bereits einen Zusammenhang zwischen angeborener Hörbehinderung und der Augenerkrankung RP erkannt, vor allem unter Blutsverwandten.

In der Schweiz leben etwa 350 Personen mit Usher-Syndrom. Man schätzt, dass etwa jedes zehnte Kind mit angeborener schwerer Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit das Usher-Syndrom hat. Gentests können früh klären, ob die Hörbehinderung allein auftritt – das ist häufiger der Fall – oder ob in der späteren Entwicklung mit einer zusätzlichen Sehbehinderung zu rechnen ist.

Die drei Typen des Usher-Syndroms

Das Usher-Syndrom lässt sich in drei Typen einteilen. Sie unterscheiden sich darin, wann und in welchem Grad Hör- und Sehbehinderung einsetzen und wann und in welchem Ausmass sie fortschreiten.

Usher-Syndrom Typ I

Betroffene sind ab Geburt gehörlos oder stark hörbehindert. Zudem ist der Gleichgewichtssinn oft gestört, weshalb die Kinder verspätet Sitzen oder Gehen lernen. In den ersten zehn Lebensjahren verengt sich das Gesichtsfeld allmählich, was oft lange unbemerkt bleibt. Dazu kommt Nachtblindheit. Typ I macht etwa 70% der Fälle aus.

Usher-Syndrom Typ II

Bereits beim Neugeborenen liegt eine Schwerhörigkeit vor. Die hohen Töne sind schwer hörbar, bei den tiefen Tönen ist der Verlust geringer. Hörgeräte können helfen. Die Hörbehinderung bleibt lange unverändert stabil. Der Gleichgewichtssinn ist nicht beeinträchtigt.

Ein Sehverlust aufgrund der Retinitis pigmentosa (RP) fällt unterschiedlich spät auf, etwa um das 15. Lebensjahr. Das Sehvermögen lässt fortschreitend nach. Mit 40 Jahren ist das Gesichtsfeld verengt. Ab Mitte 50 können Betroffene kaum noch scharf sehen.2

Usher-Syndrom Typ III

Schwerhörigkeit und Sehverlust fallen erst im frühen Erwachsenenalter auf. Die Hörbehinderung schreitet langsam, aber bis zur Taubheit fort. Diese Form ist äusserst selten und bisher nur in Finnland, Grossbritannien und Deutschland nachgewiesen.

Simulation einer U-Bahnstation mit peripherem Gesichtsfeldausfall: Die Station und der Zug werden nicht wahrgenommen, man sieht nur die Frau im Zentrum des Blickfeldes
Peripherer Gesichtsfeldausfall (verengtes Gesichtsfeld)
Jogger auf einem Waldweg. Sein weisses T-shirt, der Leuchtstreifen auf den Hosen und das Tageslicht blenden stark, sodass Kontraste schwer erkennbar sind
Blendempfindlichkeit

Die Vererbung

Das Usher-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt. «Autosomal» bedeutet «unabhängig vom Geschlecht», weil die Vererbung nicht an die Geschlechts-Chromosomen gebunden ist. Sowohl Frauen als auch Männer können das betroffene Gen weitergeben.

«Rezessiv» bedeutet, die Erkrankung tritt nur auf, wenn das Kind von beiden Elternteilen je ein Usher-
Gen geerbt hat. In diesem Fall sind beide Eltern Träger dieses Gens. Da Genträger keine Symptome aufweisen, wissen sie meist nichts vom Usher-Gen.

Eine Genmutation kann sich unterschiedlich auswirken. Das bedeutet, dass selbst Geschwister mit demselben nachgewiesenen Gen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Ausprägung erkranken können.

Behandlungsmöglichkeiten

Bis heute steht noch keine Therapie zur Verfügung. Jedoch tragen etliche Massnahmen und Hilfsmittel dazu bei, die krankheitsbedingten Einschränkungen mindestens teilweise zu kompensieren. Hörhilfen und das Erlernen der Gebärdensprache erleichtern die Kommunikation. Liegt ein Usher-Syndrom vor, kann es sinnvoll sein, Lormen (Tast-Alphabet) zu erlernen, weil aufgrund des schlechteren Sehens die Gebärdensprache schwieriger zu verstehen ist. Um einen fehlenden Gleichgewichtssinn auszugleichen, steht eine Kompensationstherapie zur Verfügung.3

Noch Zukunft: Gentherapie

Bei bestimmten Genmutationen bei RP ist eine Gentherapie bereits existent. Für das Usher-Syndrom steht jedoch noch keine solche zur Verfügung.

Rehabilitation und Hilfsmittel

Um trotz Hör- sowie zunehmender Sehbehinderung mobil zu bleiben und den Alltag bewältigen zu können, gibt es Hilfsmittel und Fertigkeiten, die erlernt werden können:

  • Optimierte und beidohrige Hörgeräte
  • Licht- und Vibrationssysteme (zur Wahrnehmung von akustischen Signalen)
  • Optimierte Beleuchtung
  • Kantenfilter-Brille zur Verbesserung des Kontrastsehens und Schutz vor Blendung
  • Vergrössernde Hilfsmittel (Lupen, Lupenbrillen, Bildschirm-Lesegeräte, etc.)
  • Orientierungs- & Mobilitätstraining mit dem Langstock
  • Lebenspraktische Fertigkeiten
  • Punktschrift (Braille)
  • Lormen (Tast-Alphabet)

Moderne elektronische Geräte (Laptop, Tablet, Smartphone) verfügen oft standardmässig über Funktionen wie Sprachausgabe und Vergrösserung, die ohne viel Aufwand genutzt werden können.

Zusammen mit den Fachpersonen in den Beratungsstellen werden die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten besprochen und entsprechende Weichen gestellt.

Die Invalidenversicherung (IV) ist eine wertvolle Ressource bei der Erhaltung von Arbeitsplatz und Lebensstandard. Bei einer Hörsehbehinderung besteht in der Regel Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV.

Mehr Informationen hierzu und zu weiteren Behandlungsmöglichkeiten erhalten Sie bei Retina Suisse.

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