Kurzsichtigkeit (Myopie) kommt immer häufiger vor. Bei Kurzsichtigkeit sieht man auf kurze Entfernung klar und scharf, in die Ferne verschwommen und unscharf. Die normale, aber auch die hohe Kurzsichtigkeit kann mit einer Brille oder Kontaktlinsen vollständig oder zumindest weitestgehend ausgeglichen werden.
Ernst zu nehmen sind die Spätfolgen bei hoher Myopie. Sie betreffen etwa eine*n von zehn Kurzsichtigen,
meist erst im höheren Erwachsenenalter. Wegen der Spätfolgen sollte man schon im Kindesalter versuchen, das Entstehen oder das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit möglichst zu verhindern.
Zwei Massnahmen haben sich als äusserst wirksam gegen die Entwicklung oder im Umgang mit bereits vorhandener Kurzsichtigkeit erwiesen:
- Täglich mindestens 2 Stunden bei Tageslicht (im Freien) verbringen,
- Nur begrenzt Zeit vor Bildschirmen und mit Naharbeit verbringen:
- am besten nach der 20 – 20 – 20 – Regel: Nach 20 min Bildschirmzeit für 20 Sekunden den Blick in die Ferne (20 Fuss = 6 Meter) richten,
- mindestens 20 cm Abstand bei Naharbeit einhalten und dabei auf gute Beleuchtung achten.
Die Entwicklung zur Kurzsichtigkeit kann schon ab dem zweiten Lebensjahr einsetzen und auch bereits entdeckt werden, selbst wenn das Kind die Fehlsichtigkeit meist erst im Schulalter feststellt. Vorbeugende Massnahmen sollten ebenso früh einsetzen.
Was bedeutet «Kurzsichtigkeit»?
Die Kurzsichtigkeit ist keine Krankheit, sie entsteht durch einen zu langen Augapfel. Dadurch befindet sich der Brennpunkt, an dem die Lichtstrahlen gebündelt sind und ein scharfes Bild ergeben sollten, weiter innen im Auge (vor der Netzhaut). Dies lässt sich mit einer Brille oder Kontaktlinsen (mit Minus-Dioptriewerten), welche Strahlen streuen, ausgleichen, sodass man in alle Entfernungen scharf sieht. Minuslinsen sind in der Mitte dünner und aussen dicker.
Die umgekehrte Abweichung vom normalen Sehen ist die Weitsichtigkeit – Weitsichtige sehen in die Ferne sehr gut, aber in der Nähe unscharf.
Starke Kurzsichtigkeit (hohe Myopie)
Bei bis zu minus 6 Dioptrien spricht man von einer einfachen, danach von einer starken Kurzsichtigkeit (hohe Myopie). Die Letztere erhöht über die Jahrzehnte das Risiko für Netzhautprobleme, die möglicherweise nicht mehr durch Brillen oder Kontaktlinsen ausgeglichen werden können. Durch die Verlängerung des Augapfels wird das Auge gedehnt. Die straffe Lederhaut des Auges (Sklera) kann an einzelnen Stellen «überdehnt» werden (Staphylom), sodass sie sich ausbeult. Das gefährdet auch die Netzhaut, die diesem Bereich aufliegt, weil auch sie zu stark ausgedehnt werden kann.
Vorsorge
Kinder jeder Altersgruppe sollten täglich mindestens eine bis zwei Stunden draussen im Tageslicht verbringen. Das hat auch einen positiven Einfluss auf viele weitere wichtige Aspekte in ihrer Entwicklung.
Die Naharbeit ist ebenfalls ein sehr wichtiger Einfluss. Heute beschäftigen sich immer kleinere Kinder mit Seheindrücken in der Nähe, und das immer länger. Eine intensive, langdauernde Naharbeit und -beschäftigung gibt das Signal, dass die Nahdistanz die wichtigste ist, für die das Auge «eingestellt» werden muss. Ganz kleine Kinder sollten noch gar nicht mit dem Handy oder Ähnlichem konfrontiert werden, raten Augenärzt*innen. Regelmässige Pausen, in denen das Kind in die Ferne schaut, sind wichtig. Viele Expert*innen empfehlen bei Naharbeit die 20 – 20 – 20 – Regel: Nach 20 min Naharbeit für mindestens 20 Sekunden in die Ferne (20 Fuss = 6 Meter) schauen.
Ob schlechte Beleuchtung eine Rolle spielt, wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Asiatische Untersuchungen zeigen aber: Gut beleuchtete Klassenzimmer führen zu weniger Kurzsichtigkeit als normal beleuchtete Räume.
Schon im Kindergartenalter kann eine erste Untersuchung vorgenommen werden. Damit lässt sich einschätzen, ob eine Tendenz zur Kurzsichtigkeit besteht und wie konsequent die vorbeugenden Massnahmen eingehalten werden sollten.
Behandlung
Den Sehfehler ausgleichen
Am einfachsten ist die Korrektur durch eine Brille. Sie sollte möglichst immer und jeden Tag getragen werden – eine Unterkorrektur beschleunigt eher das Fortschreiten der Myopie.
Mit Kontaktlinsen können schon Kinder lernen umzugehen. Hygiene ist jedoch sehr wichtig!
Eine Laserkorrektur kommt erst in Frage, wenn das Augenwachstum abgeschlossen ist. Dabei wird ein Teil der Hornhaut abgetragen, sodass sich ihr Brechwert ändert. Auch eine Hornhautverkrümmung können Expert*innen mit einem Laser korrigieren. Die Standards in der Schweiz hierfür sind sehr hoch, und viele sind mit dem Ergebnis äusserst zufrieden. Bedacht werden sollte:
- Notieren Sie sich die Resultate des Laserns, denn früher oder später ist eine Operation des Grauen Stars wahrscheinlich, und dann sollten Sie auf diese Werte (was genau operiert wurde, Ausgangswert
und Endwert) zurückgreifen können, damit die geeignete Kunstlinse ausgewählt wird. - Mit einer Brille sehen Sie ohne weitere Nebenwirkungen üblicherweise 100 %. Das Lasern hat als invasiver Eingriff immer ein gewisses Risiko, z.B. für Infektionen, Narbenbildung oder trockene Augen. Diese hängen von der Art des Eingriffs ab. Bei dieser Behandlung wird jedoch gesundes Gewebe zerstört und die Hornhaut ausgedünnt. Dies kann später zu Problemen führen, so nimmt beispielsweise das Kontrastsehen ab.
- Da die Achsenlänge nicht verändert wird, bleiben die Risiken der Kurzsichtigkeit auch unverändert bestehen.
Den Fortschritt aufhalten
Es gibt Möglichkeiten, welche bei gleichzeitiger Korrektur des Sehfehlers auch das Fortschreiten bremsen, um möglichst der Entwicklung einer hohen Myopie vorzubeugen. Dazu gehören:
- Weiche Kontaktlinsen zur Myopie-Kontrolle
- Nachtlinsen (Orthokeratologie)
- Spezielle Brillengläser zur Myopie-Kontrolle
- Atropin-Augentropfen
Genauere Informationen dazu erhalten Sie in unserer Broschüre.
Mögliche Spätfolgen
Mögliche Spätfolgen bei einem «überlangen» Auge sind:
- Grüner Star (Glaukom)
- Grauer Star (Katarakt)
- Netzhautablösung oder -löcher
- Funktionsverlust der Netzhaut, besonders am Ort des schärfsten Sehens (Makula)
- Blutgefässneubildung ausgehend von der Aderhaut
Die Komplikationen der hohen Myopie machen sich in der Regel erst in späteren Jahren bemerkbar. Regelmässige Kontrollen sind daher ratsam.
Beratung und Hilfsmittel
Für die Betreuung und Versorgung von kurzsichtigen Kindern arbeiten Optiker*innen und Augenärzt*innen oft Hand in Hand. Ab dem Jugendalter sind meistens Optiker*innen die ersten Ansprechpersonen. Ab einem Alter von 50 Jahren, sollten auf jeden Fall auch regelmässige augenärztliche Kontrollen vorgenommen werden, weil dann die Komplikationen durch den langen Augapfel häufiger werden.
Nach Netzhautablösungen oder anderen myopen Netzhautveränderungen ist nicht auszuschliessen, dass sich das Sehvermögen auch trotz einer raschen Reaktion und geeigneten Eingriffen nicht in jedem Fall wieder vollständig herstellen lässt. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Hilfe mehr gäbe: Eine grosse Auswahl an Hilfsmitteln sorgt dafür, das Beste aus dem vorhandenen Sehvermögen herauszuholen. In Low Vision-Beratungen lernen Betroffene Möglichkeiten kennen, die den Alltag erleichtern. Dies sind Hilfsmittel wie Kantenfilter-Brillen gegen Blendung, Vergrösserungshilfen, Leuchtlupen, «sprechende»
Geräte oder Software mit Sprachausgabe und vieles mehr.
Die Fachpersonen in den Beratungsstellen stellen Betroffenen einen umfangreichen Wissensschatz zur Verfügung. Sie können die individuellen Bedürfnisse klären, gemeinsam Möglichkeiten besprechen und Fragen rund um Arbeitsplatzsicherung, Sozialversicherungen (IV/AHV), Finanzen, Selbstständigkeit oder
Mobilität beantworten.
Auch der Austausch mit anderen Betroffenen (z.B. in Gesprächsgruppen) ist eine wertvolle Erfahrung. Mehr Informationen hierzu und zu weiteren Angeboten erhalten Sie bei Retina Suisse.