Konkrete Tipps, wenn eine Augenerkrankung die Paarbeziehung belastet

Massive Sehprobleme können Paarbeziehungen in eine Krise stürzen. Zu diesem Thema hat die Universität Zürich 2022 im Auftrag von SZBlind die Studie «Selody» erstellt. Retina Suisse hat die wichtigsten Ratschläge zusammengestellt, die sich aus der Studie ergeben.

Die wohl wichtigste Erkenntnis der Selody-Studie ist folgende: Sowohl Betroffene und Angehörige als auch Fachleute sollten Sehbehinderungen und Taubblindheit als zwischenmenschliche Erfahrungen betrachten. Gleichzeitig ist es von zentraler Bedeutung, das Trostpotenzial zwischenmenschlicher Beziehungen zu erkennen – insbesondere innerhalb von Partnerschaften. Die Partnerschaft kann eine wichtige Ressource sein, um Kräfte zu bündeln und die Veränderungen zu bewältigen, die sich aus der Behinderung ergeben.

Emotionale Reaktionen auf Sehbehinderung und ihre Folgen zulassen

Wenn die Folgen einer Sehbehinderung für die Betroffenen und ihre Partner spürbar werden, gehen sie mit intensiven emotionalen Reaktionen einher. Die Veränderungen können viel Angst auslösen. Häufig sind auch Gefühle wie Irritation und intensive Wut – auf das Schicksal, aber auch auf den Partner oder die Partnerin.

Diese Emotionen werden oft von Scham oder Schuldgefühlen begleitet, da sie als unpassend erlebt und daher unterdrückt werden. Auf Dauer wirkt dies jedoch sehr belastend. Daher ist es wichtig, sich selbst und den anderen zu erlauben, starke emotionale Reaktionen auf den Verlust des Augenlichts zu zeigen.

Regelmässiger Austausch und Pflege der Kommunikation zwischen den Partnern

Um das gegenseitige Verständnis zu fördern, sollten Paare eine wichtige neue Gewohnheit einführen: Sie sollten regelmässig ihre Eindrücke darüber austauschen, wie beide Partner mit der Situation der Sehbehinderung umgehen.

Wenn beide aussprechen, was sie beschäftigt, fördert dies eine gesunde Distanzierung zum Problem sowie das gegenseitige Verständnis. Dies erleichtert es, sich gegenseitig gezielt zu unterstützen. Ein regelmässiger Austausch ist besonders hilfreich, wenn er von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

Kreative Lösungen für eine «neue Normalität» finden

Einige Aspekte des (Zusammen-)Lebens verändern sich aufgrund der Einschränkungen des Seh- und möglicherweise auch des Hörvermögens. Die Unterstützung in der Partnerschaft kann beispielsweise unausgewogen werden.

Zudem finden Aktivitäten, die für die Identität des Paares zentral sind, nur noch in reduziertem Mass statt. In solchen Fällen muss man bereit sein, sich auf Alternativen einzulassen: Man kann sich zum Beispiel ein neues gemeinsames Hobby suchen, eine Haushaltshilfe einstellen oder technische Hilfsmittel nutzen.

Der gemeinsame Austausch hilft herauszufinden, welche Handlungen notwendig sind und welche Möglichkeiten in Frage kommen. Ausserdem kann eine Beratung bei einer Fachstelle praktische Lösungen greifbarer machen. In jedem Fall ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass diese Überlegungen oft das Aufgeben von Vorstellungen und die Anpassung individueller und gemeinsamer Lebensziele erfordern – ein Prozess, der Zeit und Energie braucht.

Gleichgewicht zwischen gemeinsamem und individuellem Management

Gemeinsame Überlegungen und die wiederholte Klärung von Fragen zur Sehbehinderung in der Partnerschaft sind zentral. Wichtig ist aber auch, dass beide Personen Raum für sich selbst einfordern können.

Insbesondere bei Partnern von Betroffenen kommt es häufig vor, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen. Langfristig ist es jedoch besser, die eigenen Bedürfnisse, insbesondere nach Ruhe und Entspannung, immer in den Mittelpunkt zu stellen. Und zwar auch dann, wenn dies kurzfristig schwierig erscheint oder Schuldgefühle auslöst. Darüber hinaus kann es für beide Partner hilfreich sein, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen auszutauschen, z. B. in Selbsthilfegruppen für Angehörige oder Betroffene.

Der individuelle und gemeinsame Prozess der Anpassung an eine Sehbehinderung oder Taubblindheit ist oft langwierig und anspruchsvoll. In besonders belastenden Momenten oder bei schwierigen Fragen kann es sinnvoll sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Infos zur Selody-Studie

×