Riskante “Kuba-Therapie”

24.11.2022

Verschiedene deutsche ophthalmologische Fachgesellschaften haben ihre Bewertung der sogenannten Kuba-Therapie bei Retinitis pigmentosa aus dem Jahr 2009 überprüft: Aufgrund ungenügender wissenschaftlichen Daten und der Gefahr schwerwiegender Komplikationen raten sie von der Therapie weiterhin ab.

Der folgende Text ist eine gemeinsame Stellungnahme vom 27. November 2022 seitens

der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft,
des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands,
der Retinologischen Gesellschaft und
des Arbeitskreises Klinische Fragen der Pro Retina Deutschland e.V.

zur “Kuba-Therapie” bei tapetoretinalen Degenerationen (Retinitis pigmentosa).

Retina Suisse teilt die in der Stellungnahme dargestellte Ansicht zur “Kuba-Therapie”.

Therapie weiter im Angebot – daher Überprüfung

Im Jahr 2009 haben DOG und BVA ihre Stellungnahme zur „Kuba-Therapie“ bei Retinitis pigmentosa aus dem Jahre 2001 aktualisiert und aufgrund eines fehlenden Wirksamkeitsnachweises unverändert von einer Anwendung der Therapie abgeraten [1].

Inzwischen ist der in der Stellungnahme genannte Anbieter nicht mehr tätig. Unverändert wird die „Kuba-Therapie“ jedoch angeboten, und immer mal wieder finden sich Berichte über Patienten, die u.a. durch Spendenaktionen eine Therapie in Kuba finanzieren (Schwarzwälder Bote 19.8.2021 [2]; Focus 30.6.2022 [3]). Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die 2009 erfolgte Bewertung der „Kuba-Therapie“ zu überprüfen und zu aktualisieren.

Die seit 1987/88 propagierte Therapie bei Retinitis pigmentosa von Prof. Pelaez in Kuba (daher der Begriff „Kuba-Therapie“) besteht aus einer dreiwöchigen Behandlung in Havanna unter Anwendung von Reizstrom, gefäßerweiternden Medikamenten, Behandlung mit Ozon-angereichertem Eigenblut und einer mehrstündigen Operation, bei der retrobulbäres Fettgewebe mit gefäßführenden Anteilen aus dem Bereich der Orbita in eine Skleratasche beider Augen implantiert wird [4]. Diese Kombination von Maßnahmen wird auch auf der Homepage Cubaforhealth mit dem Therapieangebot und Preisangaben, zuletzt aktualisiert 2017, beschrieben [5].

Dauerhafte Verbesserungen nicht bewiesen

Als Erfolg der Methode dargestellt und beworben wurde im Jahre 2009 (bezogen auf mehr als 10.000 Operationen): kein Fortschreiten bei 78% der Patienten; Erweiterung des Gesichtsfeldes bei 16%; keine befriedigenden Ergebnisse bei nur 6%, ohne eine nachprüfbare Literaturquelle für diese Auswertung zu geben. Vergleichbare Angaben finden sich auf der Homepage Cubaforhealth (kein Fortschreiten bei 75%, Verbesserung von Gesichtsfeld oder Sehschärfe bei 16%, unbefriedigende Ergebnisse mit Fortschreiten trotz Therapie bei 9%) [5], unverändert ohne Literaturangabe.

Dauerhafte Verbesserungen von Sehschärfe, Gesichtsfeld und ERG nach „Kuba-Therapie“ wurden bisher nicht schlüssig bewiesen. In klinischen Nachuntersuchungen ließen sich anhand objektiver Parameter mit dem GanzfeldElektroretinogramm (ERG) die auf subjektiven Angaben beruhenden Erfolge aus Kuba nicht belegen, sondern eher eine Verschlechterung nachweisen [6-9]. Bei mindestens 12% der Patienten kam es durch die Therapie zu einer Verschlechterung des Gesichtsfelds [7].

Heilerfolg suggeriert

Dass dennoch Patienten mit Retinitis pigmentosa über Erfolge der Kuba-Therapie berichten, hat verschiedene Hintergründe. Sie beruhen zum einen auf dem natürlichen Erkrankungsverlauf, der von Phasen des Fortschreitens wie des scheinbaren Stillstandes des Leidens gekennzeichnet ist. Zum zweiten kann eine nicht adäquate dramatische Aufklärung über den möglichen Verlauf mit Erblindung bei Nicht-Eintreten dieses Verlaufs einen Heilerfolg suggerieren.

Nachvollziehbar knüpfen betroffene Patienten, die eine hohe Eigenleistung (ca. 10.000 – 12.000 Euro für die Kuba-Therapie, zusammen mit Reise und Unterkunft bis zu 25.000 Euro aufbringen, hohe Erwartungen an die Therapie im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung (Plazebo-Effekt) – so die Deutung eines kundigen Kommentators [10].

Im Jahre 1997 hat Herr Dr. O. Peláez in der Zeitschrift Archives of Ophthalmology Kritikern zugesagt, dass die Publikation der Ergebnisse der „Kuba-Therapie“ in einem peer-reviewed Journal geplant sei [11]. Eine solche Publikation ist seit nunmehr 25 Jahren nicht erfolgt.

Mögliche schwerwiegende Komplikationen

Unter Berücksichtigung der vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Evaluierung der Kuba-Therapie [6-9], einer trotz Ankündigung fehlenden wissenschaftlichen Publikation der
Behandlungsergebnisse der Therapieanbieter in Kuba sowie unterstützt von warnenden Stellungnahmen des Health Council of the Netherlands [12] und der Kanadischen Ophthalmologischen Gesellschaft [13] ist, in Anbetracht der möglichen schwerwiegenden Komplikationen, der nicht zutreffenden pathophysiologischen Grundüberlegungen sowie fehlender statistischer valider Daten die „Kuba-Therapie“ unverändert nicht zu empfehlen.

Solange keine evaluierten Studien über die therapeutische Wirksamkeit der „Kuba-Therapie“ für tapetoretinale Degenerationen bekannt sind, wird von einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen bzw. einer Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen abgeraten. Seit der ersten Stellungnahme der Kommission im Jahre 2001 haben sich keine neuen Aspekte ergeben, die eine Änderung der Bewertung erfordern würden.

Vorsicht bei alternativen Angeboten

Patienten, die aufgrund fehlender Therapiemöglichkeiten auf alternative Angebote auch ohne Wirksamkeitsnachweis ausweichen, wird empfohlen, eine Vor- und Nachuntersuchung in auf Netzhautdystrophien wie Retinitis pigmentosa spezialisierten Schwerpunktzentren durchführen zu lassen, um zu einer langfristigen Erfassung und zuverlässigen Bewertung alternativer Behandlungsverfahren zu kommen.

Literatur

  1. Stellungnahme der gemeinsamen Kommission von DOG und BVA zur Evaluation
    alternativer komplementärer Angebote in der Augenheilkunde zur Kuba-Therapie bei
    tapetoretinalen Degenerationen (Retinitis pigmentosa) und aktuellen Marketing
    Maßnahmen von Kuba Therapies Ltd in Deutschland. Stand 31.03.2009.
    www.dog.org/stellungnahmen-und-empfehlungen/diabetes-glaskoerpernetzhaut/stellungnahme-der-gemeinsamen-kommission-von-dog-und-bva-zur-kubatherapie/g (Zugriff 08.10.2022)
  2. Schwarzwälder Bote: „Kuba-Therapie“ verläuft erfolgreich.
    https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.hausach-kuba-therapie-verlaeufterfolgreich.834dd64d-fece-41b9-bdd3-e99a2b96d462.html (Zugriff 08.10.2022)
  3. Focus online: “Meine größte Angst” Alleinerziehender Vater droht zu erblinden.
    https://www.focus.de/gesundheit/news/erlangen-hoechstadt-herzogenaurachfamilienvater-droht-zu-erblinden-er-hofft-auf-kostspielige-operation_id_108192126.html
    (Zugriff 08.10.2022)
  4. Stellungnahme zu der in Kuba durchgeführten Behandlung der RP Ergebnisse des
    Expertentreffens am 9. Juni 1991. Zeitschrift praktische Augenheilkunde
    1991;12:445-450
  5. Cubaforhealth Tratamientos contra retinitis pigmentosa.
    https://www.cubaforhealth.com/retinosis_pigmentosa.php (Zugriff 08.10.2022)
  6. Berger RW, Haase W, Gering H. Aktiv – passive Motilitätsstörungen nach
    Augenmuskeloperationen gegen Retinopathia pigmentosa („Kuba-Therapie“).
    Zeitschrift praktische Augenheilkunde 1994;15:296-302
  7. Berson EL, Remulla JF, Rosner B, et al. Evaluation of patients with retinitis
    pigmentosa receiving electric stimulation, ozonated blood and ocular surgery
    in Cuba. Arch Ophthal 1996;114:560-563
  8. Bacal DA, Rouasta S, Hertle RW et al. Restrictive strabismus after ocular
    surgery for retinitis pigmentosa in Cuba. Arch Ophthalmol 1997;115 930-931
  9. Besch D, Zrenner E. Therapieversuche bei tapetoretinalen Degenerationen.
    Nutzen und Risiken augenärztlicher Therapie. Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1998
    125-141
  10. Stern-TV-Sendung am 08.09.99 „Augen-OP gegen Retinitis Pigmentosa“
  11. Peláez O. Evaluation of patients with retinitis pigmentosa receiving electric
    stimulation, ozonated blood and ocular surgery in Cuba. Arch Ophthalmol,
    1997;115:133
    Stellungnahme von BVA, DOG, Retinologische Gesellschaft und des Arbeitskreises Klinische Fragen der
    Pro Retina Deutschland e.V.
    Titel zur Kuba-Therapie bei tapetoretinalen Degenerationen (Retinitis Pigmentosa)
    Stand November 2022
  12. Health Council of the Netherlands: Standing Committee on Medicine:Retinitis
    Pigmentosa Assessment of a Therapy. Publication no. 1998 / 1
  13. Canadian Ophthalmological Society: Cuban treatment for retinitis pigmentosa,
    11/2016 https://www.cosprc.ca/cuban-treatment-for-retinitis-pigmentosa
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