Das Gesichtsfeld ist der Bereich, den wir sehen, ohne unsere Augen oder unseren Kopf zu bewegen. Kommt es hier zu Einschränkungen, können völlig unterschiedliche und oft schwerwiegende Ursachen dahinterstecken.
Wenn Herr Meier von nebenan morgens zielstrebig zur Bushaltestelle geht, ohne dabei die Nachbarn auf der Strasse zu grüssen, dann ist er nicht unbedingt in Eile oder arrogant. Möglicherweise leidet er – vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein – an einer Augenkrankheit, die das Gesichtsfeld beeinträchtigt.
Verschiedene Augenkrankheiten wirken sich ganz unterschiedlich auf das Sehvermögen aus. Den Betroffenen selbst fallen die meist schleichenden Veränderungen häufig gar nicht auf, solange sie nicht massiv das zentrale Gesichtsfeld betreffen. Sehen ist ein komplexer Vorgang, bei welchem das Gehirn die Informationen, die es vom Auge erhält, zu einem kompletten Bild zusammensetzt – und diese Informationsverarbeitung funktioniert so gut, dass Fehler lange Zeit kompensiert werden.
Treten beispielsweise infolge eines Glaukoms (Grüner Star) an einem Auge «blinde Flecken» im Gesichtsfeld auf, wird der Ausfall oft durch das zweite Auge wettgemacht. Zudem ergänzt das Gehirn fehlende Informationen, indem es anhand der noch vorhandenen Seheindrücke «hochrechnet», wie das Bild dort aussehen müsste, wo tatsächlich Information fehlt. So entsteht der trügerische Eindruck eines vollständigen Bildes. Ein Objekt, das sich von der Seite nähert, kann dann plötzlich, wie aus dem Nichts, im zentralen Gesichtsfeld auftauchen.
Was genau versteht man unter einem «Sehfeld»?
Unter Gesichtsfeld oder Sehfeld versteht man den Bereich, der optisch wahrgenommen wird, wenn sich ein Auge auf einen zentralen Punkt konzentriert. Bei gesunden Augen überlappen sich beide Gesichtsfelder, sodass ein gemeinsames Gesichtsfeld entsteht. Abzugrenzen ist das Gesichtsfeld vom Blickwinkel: Das ist der Bereich, der bei ruhiger Kopfstellung mit Blickbewegung der Augen wahrgenommen werden kann.
Charakteristisch für ein normales Gesichtsfeld sind ein scharfes Sehen im Zentrum und das Erkennen von Konturen an den äusseren Rändern bzw. der Peripherie, wo auch noch Bewegungen wahrgenommen werden. Wichtig ist ein intaktes Gesichtsfeld besonders für die Fortbewegung, denn nur so können auftretende Gefahren oder Gegenstände zeitnah erkannt werden. Aber auch bei der Orientierung ist ein vollständiges Gesichtsfeld unabdingbar.
Das Gesichtsfeld geht bei gesunden Augen über 90 Grad nach links und rechts sowie über 70 Grad nach unten und oben. In Richtung Nase umfasst das Gesichtsfeld sogar noch 60 Grad. Im Verlauf eines normalen Alterungsprozesses verschlechtert bzw. verengt sich das Gesichtsfeld.
Gesichtsfeldausfällen liegt eine Pathologie zugrunde
Von einer alterungsbedingten Sehfeldverengung zu trennen ist der Gesichtsfeldausfall. Hinter einem solchen stecken völlig verschiedene und meist ernsthafte Erkrankungen. Von einer Gesichtsfeldeinschränkung können ein Auge (monokulare Hemianopsie) oder beide Augen betroffen sein (binokulare Hemianopsie).
Zu unterscheiden sind auch Ausfälle im Gesichtsfeld bei der Nahsicht (zentrale Hemianopsien) von solchen bei der Fernsicht (periphere Hemianopsien). Von einem Skotom schliesslich ist die Rede, wenn ein inselförmiger Bereich des Gesichtsfelds gestört ist.
Die Ursachen für solche Ausfälle sind primäre Augenerkrankungen, aber auch neurologische Defekte sowie Durchblutungsstörungen. In der folgenden Aufzählung sind die wichtigsten Faktoren aufgeführt.
Gesichtsfeldausfälle wegen Augenerkrankungen:
Altersbedingte Makuladegeneration (AMD): Es handelt sich um eine Erkrankung der zentralen Netzhaut (Macula), der Stelle des schärfsten Sehens. Störungen führen hier zu Ausfällen vor allem in der Mitte des Sehfeldes.
Grüner Star (Glaukom): In einer Mehrzahl der Fälle erhöht sich der Augeninnendruck, der den Sehnerv schädigen kann. Die Ausfälle des Gesichtsfeldes erscheinen dann als blinde Flecken, die sich mit der Zeit vergrössern und zusammenwachsen.
Erbliche Augenerkrankungen, vor allem solche der Netzhaut (retinale Dystrophien), bewirken ebenfalls Einschränkungen des Sehfeldes. So kommt es zum Beispiel bei Retinitis pigmentosa zu immer grösser werdenden Ausfällen an der Peripherie des Gesichtsfeldes, bis am Ende ein Tunnelblick entsteht und sogar eine Erblindung droht.
Makulaforamen: Es bildet sich ein kleines Loch in der Macula, das ebenfalls zu Ausfällen in der Mitte des Gesichtsfeldes führt.
Ablösung der Retina (Amotio): Die Netzhaut löst sich von der Rückwand des Auges ab, was plötzliche Skotome, visuellen «Russregen» und ähnliche Phänomene hervorruft.
Netzhautentzündungen können ebenfalls zu verschiedentlichen Einschränkungen des Sehfeldes führen.
Dasselbe gilt für Erkrankungen, die den Sehnerv betreffen, wie z.B. Optikusneuropathie oder Lebersche Optikusatrophie.
Gesichtsfeldausfälle aufgrund neurologischer Störungen:
Migräne: Bei der Variante mit sogenannter Aura können vorübergehende Skotome auftreten, die oft flimmern.
Schlaganfall oder Hirnblutung: Durchblutungsstörungen im Gehirn, die das Sehzentrum betreffen.
Multiple Sklerose (MS): Eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, die zu Sehnervenschäden führen kann.
Gehirntumore, die auf das Sehzentrum oder die Sehbahn drücken.
Prolaktinom: Ein Tumor der Hirnanhangsdrüse, welcher die Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) beeinflussen kann.
Gesichtsfeldausfälle wegen Durchblutungsstörungen:
Diabetische Retinopathie: Schäden an den Blutgefässen der Netzhaut, die bei der Zuckerkrankheit bzw. Diabetes Typ 2 (Altersdiabetes) auftreten können. Die auftretenden Skotome werden hier als dunkle Flecken oder «blinde Flecken» wahrgenommen. In fortgeschrittenen Stadien führen die Gesichtsfeldausfälle auch zu einem deutlichen Verlust des Sehvermögens oder sogar zur Erblindung.
Gefässverschlüsse der Netzhaut: Eine Blockade von Blutgefässen in der Netzhaut führt je nach Position zu verschiedentlichen Einschränkungen des Sehfeldes.
Eine Entzündung der Schläfenarterie (Arteriitis temporalis) kann Durchblutungsstörungen des Auges und damit einen plötzlichen Gesichtsfeldausfall hervorrufen.
Carotisstenose: Verengung der Halsschlagader, die mögliche Durchblutungsstörungen im Gehirn bewirkt, auch im Bereich des Sehzentrums.
Andere Ursachen für Gesichtsfeldausfälle:
Verletzungen des Auges oder des Sehnervs können ebenfalls Sehfeldausfälle verursachen.
Glaskörpertrübungen erzeugen gelegentlich einen visuellen «Russregen», der auch als Gesichtsfeldausfall wahrgenommen werden kann.
Erhöhter Hirndruck: Dieser kann durch Infektionen, Entzündungen, Blutungen oder Tumore im Gehirn entstehen und das Sehzentrum beeinträchtigen.
Bei Einschränkungen sofort ärztliche Hilfe suchen
Wie anhand der Aufzählung deutlich wird, erweisen sich die meisten Ursachen als sehr ernstzunehmende Faktoren. Daher ist es wichtig, bei Ausfällen des Sehfeldes umgehend eine augenärztliche oder neurologische Fachperson aufzusuchen, damit diese die Ursache ermittelt und eine geeignete Behandlung einleitet.
Die Prüfung des Gesichtsfelds hat auch eine erhebliche Bedeutung in der Differenzialdiagnose von Netzhauterkrankungen. Sie ist ferner wichtig für die Dokumentation eines Krankheitsverlaufs und für die gutachterliche Einschätzung, wenn es um die Beurteilung einer verminderten Erwerbsfähigkeit geht.
Patient*in muss projizierte Lichtpunkte erkennen
Die Untersuchung des Gesichtsfelds wird Perimetrie genannt und mithilfe eines Perimeters durchgeführt. Die Patientin oder der Patient blickt in das Gerät, das ein Gesichtsfeld von 180 Grad imitiert. Dabei muss der Blick auf einen festen Punkt gerichtet sein, ohne die Augen zu bewegen. Nun werden Lichtpunkte in den normalen Gesichtsfeldbereich projiziert, die von den zu untersuchenden Personen erkannt werden müssen.
Diese Untersuchung kann mit verschiedenen Lichtstärken durchgeführt werden, die der Empfindlichkeit der verschiedenen Bereiche der Netzhaut entsprechen. Auch Gesichtsfeldmessungen für Farben sind möglich, indem farbige Lichtpunkte projiziert werden. Das Gesichtsfeld für Farbsehen ist in der Regel kleiner als das Gesichtsfeld für weisses Licht.
Die Prüfung des Gesichtsfelds ist abhängig von den vorliegenden Veränderungen und dem verwendeten Test und kann bis zu 15 Minuten je Auge beanspruchen.
Zusammengestellt und redigiert von PJ anhand folgender Quellen:
Medlexi.de; Retina Suisse; Pro Retina Deutschland 01; Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA); Pro Retina 02; Augenärzte Bern; Augenärzte Wallisellen; NetDoktor; Patient-Info; Lux Augenzentrum; Klinikum Wels; Savir-Center