Viel Bewegung soll auch bei Augenerkrankungen eine positive Wirkung entfalten, wird oft erklärt. Im Falle von Grünem Star sind sich die Expert*innen wegen der zwei verschiedenen Arten von Augendruck nicht einig.
Ein gesundheitlicher Vorteil von körperlicher Aktivität wird auch für verschiedene Augenerkrankungen wie dem Grünen Star (Glaukom) postuliert. Als Hauptfaktor für das Glaukom gilt ein zu hoher Augeninnendruck bzw. Intraokulardruck (IOD): Bleibt der IOD über längere Zeit erhöht, drückt er zu stark den Sehnerv-Kopf zusammen, der dadurch nicht optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird und Schädigungen erleidet. Wird dies nicht behandelt, droht schlimmstenfalls die Erblindung.
Bei sportlicher Betätigung steigt nun der IOD, wie die Herzfrequenz und der Blutdruck, an. Das ist an sich ein negatives Phänomen – jedoch sinkt der IOD nach einer intensiven Bewegungsphase auf Werte unter dem Ausgangsdruck ab. Letzteres wäre dann vorteilhaft für sportliche Glaukom-Betroffene.
Diesen widersprüchlich erscheinenden Vorgang haben Forschende der Universitätsaugenklinik im deutschen Magdeburg ausführlich dokumentiert. Sie führten zu diesem Zweck weltweit erstmals eine kontinuierliche Messung des IOD während ergometrischer Übungen mit Hilfe eines intraokularen Sensors durch.
Das Problem der «Momentaufnahme» und der zwei unterschiedlichen Arten von Druck im Auge
Ist also Sport nützlich oder schädlich für Glaukom-Betroffene, lautet die naheliegende Frage. In diesem Zusammenhang spielen zwei Faktoren eine Rolle.
Allgemein betrachtet ist es normal, dass es im Verlauf von 24 Stunden zu Schwankungen des Augeninnendrucks kommt. Allerdings können diese Schwankungen bei einigen Personen sehr ausgeprägt und damit medizinisch relevant sein. Dies lässt sich aber während eines routinemässigen Augenarztbesuchs von Glaukom-Patient*innen bei den IOD-Messungen, die meist drei- oder viermal im Jahr und oft zu identischen Tageszeiten stattfinden, nicht berücksichtigen.
Es handelt sich also um eine blosse „Momentaufnahme“, was viele Augenärzt*innen als Schwachstelle in der Betreuung von Glaukom-Betroffenen ansehen.
Zudem ist vom IOD, dem Augeninnendruck, der sogenannte okuläre Perfusionsdruck (OPD) zu unterscheiden. Der IOD ist der Druck, der generell im Augeninneren herrscht und das Auge stabil hält, und wird durch die Produktion und den Abfluss von Kammerwasser im vorderen Teil des Auges reguliert.
Sinn und Zweck des auf die Blutgefässe bezogenen OPD hingegen ist, dass das Auge ausreichend mit Blut versorgt wird, um funktionieren zu können. Ein zu niedriger OPD kann zu einer ungenügenden Durchblutung und damit, ähnlich wie der zu hohe Augeninnendruck IOD, ebenfalls zur Schädigung des Sehnervs führen.
Test auf dem Fahrrad-Ergometer
Kürzlich wurde ein implantierbarer IOD-Sensor unter der Bezeichnung „Eyemate-IO“ (der Firma Implandata Ophthalmic Products GmbH, Hannover) entwickelt. Nach erfolgter Implantation ermöglicht der Sensor eine kontaktlose, quasi-kontinuierliche telemetrische Messung des Augeninnendrucks unter Verwendung einer externen Antenne.
So konnte eine deutsche Forschungsgruppe der Otto-von-Guericke-Universität unter der Leitung von Dr. Lars Choritz genau untersuchen, wie es um den Anstieg und das Absinken von IOD und OPD bei und nach sportlicher Aktivität sowie um deren mögliches Zusammenspiel steht.
Die Forschenden massen die IOD-Bewegungen bei zehn Patient*innen (Durchschnittsalter 72 Jahre) mit einem primären Offenwinkelglaukom. Die Testpersonen absolvierten zehnminütige Übungen unter wechselnden Belastungen (bis zu 75 W) auf dem Fahrradergometer. Gleichzeitig wurden Puls und Blutdruck gemessen sowie aus Sicherheitsgründen ein EKG durchgeführt.
Folgendes konnte festgestellt werden: Der durchschnittliche Augeninnendruck IOD stieg bei den Probanden von 15,4 mm Hg in Ruhe auf 18,0 mm Hg unter körperlicher Leistung bei 75 W – und fiel in der Ruhephase nach dem Training bei acht der zehn Patient*innen auf 14,4 mm Hg ab, also unter den Ausgangswert. Ausserdem korrelierten während der Übung sowohl der systolische Blutdruck als auch die Herzfrequenz hochgradig mit dem Augeninnendruck (R²=0,997, p=0,002 bzw. R²=0,986, p=0,007).
Kompensiert der eine Druck den anderen?
Dr. Choritz und sein Team interpretieren diese Ergebnisse in Bezug auf die potenziellen Auswirkungen auf Glaukom-Betroffene folgendermassen: «Während der deutliche, dosisabhängige Anstieg des IOD während der Übung als nachteilig für Glaukom-Patient*innen empfunden werden kann, führt der gleichzeitige Anstieg des Blutdrucks wahrscheinlich zu einem höheren okulären Perfusionsdruck.»
Via höheren OPD ergebe sich eine bessere Sauerstoffversorgung des Sehnervs. Und dieser Umstand wirke möglicherweise dem Anstieg des IOD entgegen – das ist die entscheidende Aussage im Zusammenhang mit den Tests.
Allerdings gehen andere Forschende davon aus, dass die Autoregulation retinaler Blutgefässe bei einigen Glaukomformen verändert ist. Ein Anstieg des systemischen Blutdrucks während des Trainings könnte in einem solchen Fall auch schädliche Auswirkungen bei Patient*innen mit Grünem Star haben.
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Der vorliegende Beitrag wurde redigiert von PJ unter Einbezug folgender Quellen (Juli 2025): British Journal of Ophthalmology 2025; DOI: 10.1136/bjo-2023-324034; Deutsches Ärzteblatt vom 21.5.2025; Thieme – klinische Monatsblätter für Augenheilkunde; GMS – German Medical Science